Autobiografie eines Lügners
war, sich so für wohltätige Zwecke einzusetzen ….
Unter dem Vorwand, pinkeln zu gehen, ver (Entschuldigung) pißte ich mich, fand Anna hinter der Bühne und sagte: »Da draußen sind ein paar Leute, die mir ein bißchen Sorgen machen. Sie haben doch versprochen, daß mich hinterher ein Taxi nach Hause fährt. Könnten Sie bitte ein Mini-Taxi bestellen und ihm sagen, daß es zum Hintereingang der Kneipe kommt, nicht zum Vordereingang? Könnten Sie das bitte für mich machen? Schnell?«
Sie sagte: »Ja«, sie verstand, worum es ging. Sie sagte, sie glaubt, sie weiß, wer die Leute sind, von denen ich gesprochen habe, und sie wird alles regeln –, keine Sorge, ich soll einfach in zehn Minuten die Kneipe hintenraus verlassen. Ich fühlte mich erleichtert und ging zurück, um einen weiteren Drink auszutrinken und zu sagen: »Ja, ich muß jetzt los, schön, Sie beide kennengelernt zu haben, prost, alles Gute …« John und ich gingen weg, schlüpften durch eine Tür hinter der Bühne und verließen die Kneipe durch den Hintereingang.
Dort stand ein wartendes Minitaxi. Ich sah kurz hinein und sagte zum Fahrer: »Hampstead?« Er sagte: »Ja«, John und ich sahen uns um und stiegen hinten ein.
Mein Herz setzte eine, zwei Sekunden lang aus.
Gegen die Polsterung zurückgelehnt waren der Mann, der wie eine Tür aussah, und sein Freund, der nicht sprach. Der Türmann, den wir nun genausogut auch »Trevor« nennen können, sagte: »Hallo, Graham, wir müssen sowieso durch Ihren Teil der Stadt. Wir dachten, Sie mögen vielleicht noch auf einen kleinen Drink irgendwo anhalten, sozusagen.«
»Nein, nein, ich bin sehr müde. Ich will nur zurück nach Hampstead, vielleicht ein andermal.«
Trevor sagte: »Nein, wir kennen da eine ganz tolle kleine Pinte –, nicht sehr bekannt, nur einen Drink, na, Graham?«
Ich begann, Visionen von einer ganz tollen kleinen Pinte zu haben, in die man uns bringen konnte, um uns dort an Garagentüren nageln und unsere Köpfe auf einen Beistelltisch schrauben zu können –, oder uns die Beine mit Krampen zusammenzuheften, die Art ganz tolle kleine Pinte.
An jenem Abend hatte ich (für meine Verhältnisse) nicht sehr viel getrunken, nur ein bißchen was geraucht, und wenn man die Lage bedachte, in der ich mich nun befand, blieb ich relativ ruhig. Ich bestand darauf, daß dies Taxi nach Hampstead fuhr, um mich zu Hause abzusetzen. Der Taxifahrer spielte jetzt mit und sagte: »Ja, Hampstead, das war der Auftrag, da fahre ich hin. Wenn Sie woanders hin wollen, nehmen Sie ein anderes Taxi.« Dies sagte er mit ziemlich zittriger Stimme. Ich glaube, er wollte an keinerlei Genagel an Garagentüren oder Geschraube auf Beistelltische im weiteren Verlauf des Abends teilnehmen. Offenbar kannte er die beiden im Fond seiner Droschke und hatte Angst.
Aber Trevor bestand weiter darauf, in diese ganz tolle kleine ruhige Pinte zu fahren, die er kannte. Ich dachte, es wäre vielleicht weiser, anstatt in diese ganz tolle kleine ruhige Pinte zu fahren, die Trevor kannte, wenn ich sie auf einen Drink zu mir nach Hause einlud. Das war immerhin mein Territorium. Ich wußte, wo es Telefone gab. Es gab Nachbarn und auch einen Eispickel in einem Schrank in der Nähe der Treppe. Mir kam es so vor, als hätte ich in meiner gewohnten Umgebung bessere Überlebenschancen. Sie waren einverstanden –, zumindest war, wenn ich »sie« sage, Trevor einverstanden, und der andere Herr sagte: »Mmmnn!« Der andere Herr, wie mir jetzt klarwurde, hatte seine Gesprächsbeiträge bisher auf Grunzlaute beschränkt, weil er keine Zunge hatte. Ich nahm an, daß diese wegen einer Indiskretion, die ihm in seinem früheren Leben unterlaufen war, hatte entfernt werden müssen. Mir war in diesem speziellen Augenblick nicht danach, Trevor dazu zu befragen.
Wir fuhren zurück zu meiner Wohnung, der Wohnung im fünften Stock in Belsize Park. Wir kamen vor dem Häuserblock an, stiegen aus, und Trevor sagte dem Taxifahrer, er solle auf sie warten. Wir gingen hinauf und in die Wohnung, und in der Küche begann ich, ihnen Drinks einzuschenken. Trevor erklärte mir jetzt, Miss Finsburys Mann »brumme« etwa dingsbumsundvierzig Jahre in einer Haftanstalt Ihrer Majestät »ab«, weil er im Verlauf eines bewaffneten Banküberfalls körperlichen Schaden verursacht habe, und er, Trevor, sei der Mann, der sich um Anna zu kümmern habe, d. h., dafür Sorge zu tragen habe, daß ihr nichts zustoße –, falls ich seinen Worten folgen könne. Er
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