Autofab
der Kanone in der Hand vor ihm stand. »Sie hat wohl keinen Augenblick gezögert?«
Das Gesicht des Eindringlings zeigte keinerlei Reaktion.
»Ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte er. »Kommen Sie mit.«
Erstaunt legte Anderton die Sportjacke weg. »Sie sind nicht von meiner Behörde? Sie sind kein Polizist?«
Unter verblüfftem Protest wurde er aus dem Haus und zu einer wartenden Limousine geschubst. Augenblicklich postierten sich drei schwerbewaffnete Männer hinter ihm. Die Tür knallte zu, und der Wagen schoß über den Highway, fort von der Stadt. Ungerührt und verschlossen ruckelten die Gesichter ringsum von der Bewegung des rasenden Fahrzeugs, während offene Felder, düster und dunkel, vorüberfegten.
Anderton versuchte noch immer vergeblich, die Hintergründe dessen zu begreifen, was passiert war, als der Wagen zu einer von Furchen durchzogenen Seitenstraße kam, abbog und in eine finstere unterirdische Garage hinunterfuhr. Jemand brüllte einen Befehl. Die schwere Metallsperre fiel knirschend ins Schloß, und flimmernd ging die Deckenbeleuchtung an. Der Fahrer stellte den Motor ab.
»Das werden Sie noch bereuen«, warnte Anderton heiser, als sie ihn aus dem Wagen zerrten. »Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, wer ich bin?«
»Sind wir«, sagte der Mann im braunen Mantel.
Mit vorgehaltener Waffe wurde Anderton nach oben geführt, aus der klammen Stille der Garage in eine mit dickem Teppich ausgelegte Eingangshalle. Er befand sich offenbar in einem luxuriösen Herrenhaus, draußen auf dem Land, das der Krieg verschlungen hatte. Am Ende der Halle konnte er ein Zimmer erkennen – ein mit Büchern vollgestopftes Arbeitszimmer, einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. In einem Lichtkegel, das Gesicht teilweise im Schatten, saß ein Mann, den er noch nie gesehen hatte.
Als Anderton näherkam, rückte der Mann nervös eine randlose Brille zurecht, ließ das Etui zuschnappen und befeuchtete seine trockenen Lippen. Er war fortgeschrittenen Alters, vielleicht siebzig oder älter, und hatte einen dünnen Stock aus Silber unter dem Arm. Sein Körper war schmächtig,
drahtig, seine Haltung merkwürdig starr. Das bißchen Haar, das er noch hatte, war von einem staubigen Braun – ein sorgfältig geglätteter Schimmer neutraler Farbe über seinem blassen, knochigen Schädel. Nur seine Augen schienen hellwach.
»Ist das Anderton?« erkundigte er sich mit quengeliger Stimme bei dem Mann im braunen Mantel. »Wo habt ihr ihn geschnappt?«
»Bei sich zu Hause«, erwiderte der andere. »Er war am packen – wie erwartet.«
Der Mann am Schreibtisch zitterte sichtlich. »Am packen.« Er nahm die Brille ab und legte sie mit einer fahrigen Bewegung in ihr Etui zurück. »Hören Sie mal«, fuhr er Anderton an, »was ist eigentlich los mit Ihnen? Sind Sie völlig übergeschnappt? Wie könnten Sie einen Menschen umbringen, den Sie noch nie gesehen haben?«
Der alte Mann, erkannte Anderton mit einem Mal, war Leopold Kaplan.
»Jetzt stelle ich Ihnen erst mal eine Frage«, konterte Anderton auf der Stelle. »Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie getan haben? Ich bin Polizeichef. Ich kann Sie für zwanzig Jahre hinter Gitter wandern lassen.«
Er wollte noch mehr sagen, doch eine plötzliche Überlegung brachte ihn jäh aus dem Konzept.
» Woher wissen Sie das ?« fragte er. Unwillkürlich wanderte seine Hand zu seiner Tasche, in der die gefaltete Karte versteckt war. »Das ist doch erst – «
»Ich bin nicht von Ihrer Behörde verständigt worden«, fuhr Kaplan mit zorniger Ungeduld dazwischen. »Daß Sie noch nie von mir gehört haben, wundert mich nicht besonders. Leopold Kaplan, General der Armee der Föderalen Westblock-Allianz.« Mißgünstig setzte er hinzu: »Im Ruhestand seit Ende des anglo-chinesischen Krieges und der Abschaffung der AFWA.«
Das klang plausibel. Anderton hatte bereits vermutet, daß die Armee ihre Kartenkopien sofort vervielfältigte, zu ihrem eigenen Schutz. Seine Nervosität ließ ein wenig nach. »Also?« fragte er. »Sie haben mich hier. Was jetzt?«
»Eins ist klar«, sagte Kaplan, »ich werde Sie nicht beseitigen lassen, sonst wäre das auf einem von diesen jämmerlichen Kärtchen aufgetaucht. Sie haben mich neugierig gemacht. Ich fand es unglaublich, daß ein Mann Ihres Kalibers die Absicht haben könnte, einen völlig Fremden kaltblütig zu ermorden. Da steckt noch mehr dahinter. Offen gesagt, ich stehe vor einem Rätsel. Falls das so etwas wie ein Polizeitrick sein
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