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Autofab

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Titel: Autofab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Steuerhinterziehung, Überfall, Erpressung. Wie Sie sicher wissen, gibt es dank unserer Arbeit heute neunundneunzig Komma acht Prozent weniger Schwerverbrechen. Einen richtigen Mord oder Hochverrat haben wir nur noch selten. Schließlich weiß der Täter, daß wir ihn eine Woche, bevor er Gelegenheit bekommt, das Verbrechen zu begehen, in ein Straflager stecken.«
    »Wann ist denn das letzte Mal ein richtiger Mord begangen worden?« fragte Witwer.
    »Vor fünf Jahren«, sagte Anderton stolz.
    »Wie ist das passiert?«
    »Der Verbrecher ist unseren Einheiten entwischt. Wir hatten seinen Namen – im Grunde hatten wir sogar alle Einzelheiten der Tat, auch den Namen des Opfers. Wir kannten den
    genauen Zeitpunkt und Ort des geplanten Verbrechens. Aber trotz unserer Bemühungen hat er es geschafft.«
    »Ein Mord in fünf Jahren.« Witwers Selbstvertrauen kehrte zurück. »Recht beachtliche Leistung… darauf können Sie stolz sein.«
    »Ich bin stolz darauf«, sagte Anderton ruhig. »Vor dreißig Jahren habe ich die Theorie entwickelt – damals, als diese Egoisten nichts anderes im Sinn hatten, als an der Börse das schnelle Geld zu machen. Ich hatte etwas Beständiges vor Augen – etwas von enormer sozialer Bedeutung.«
    Er warf seinem Assistenten Wally Page, der für den Affenblock zuständig war, das Kartenpäckchen zu. »Schauen Sie mal, welche wir brauchen können«, sagte er zu ihm. »Entscheiden Sie selbst.«
    Als Page mit den Karten verschwand, sagte Witwer nachdenklich: »Eine große Verantwortung.«
    »Ja, allerdings«, pflichtete Anderton bei. »Wenn wir auch nur einen Verbrecher entkommen lassen – wie vor fünf Jahren –, haben wir ein Menschenleben auf dem Gewissen. Wir tragen die alleinige Verantwortung. Wenn wir danebenhauen, stirbt jemand.« Verbittert riß er drei neue Karten aus dem Schlitz. »Wir sind ein gemeinnütziges Unternehmen.«
    »Kommen Sie schon mal in Versuchung – « Witwer zögerte. »Ich meine, manche Leute bieten Ihnen doch bestimmt sehr viel.«
    »Das würde nichts nützen. Von jeder Karte wird im Armee-Hauptquartier eine Aktenkopie ausgespuckt. Wir überwachen uns gegenseitig. Wenn die wollen, können sie uns ununterbrochen im Auge behalten.« Anderton warf einen kurzen Blick auf die oberste Karte. »Also, selbst wenn wir eingehen wollten auf ein – «
    Er verstummte; seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich.
    »Was ist denn los?« fragte Witwer neugierig.
    Sorgfältig faltete Anderton die oberste Karte zusammen und steckte sie sich in die Tasche. »Nichts«, murmelte er. »Gar nichts.«
    Sein schroffer Ton ließ Witwer erröten. »Sie können mich wirklich nicht leiden«, bemerkte er.
    »Ja«, gestand Anderton. »Stimmt. Aber – «
    Er konnte es nicht fassen, daß er eine solche Abneigung gegen den jungen Mann hegte. Das schien einfach unmöglich: Das war unmöglich. Irgend etwas stimmte nicht. Verwirrt versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Auf der Karte stand sein Name. Ganz oben – ein bereits angeklagter zukünftiger Mörder! Laut eingestanztem Code würde Commissioner John A. Anderton, Abteilung Prä-Verbrechen, einen Menschen töten – im Lauf der folgenden Woche.
    Er glaubte nicht daran, und zwar aus vollster, alles überwältigender Überzeugung.

    II

    Im Vorzimmer stand Andertons schlanke, gutaussehende junge Frau Lisa und unterhielt sich mit Page. Sie war in eine heftige, lebhafte Grundsatzdiskussion vertieft und blickte kaum auf, als Witwer und ihr Mann hereinkamen. »Hallo, Schatz«, sagte Anderton.
    Witwer schwieg. Aber seine blassen Augen flackerten auf, als sein Blick an der brünetten Frau in der schmucken Polizeiuniform hängenblieb. Lisa war mittlerweile eine leitende Beamtin bei Prä-Verbrechen, war früher jedoch, das wußte Witwer, Andertons Sekretärin gewesen.
    Als Anderton das Interesse in Witwers Gesicht bemerkte, hielt er kurz inne und dachte nach. Um die Karte in den Maschinen zu deponieren, brauchte man einen eingeweihten Komplizen – jemanden, der in enger Verbindung mit Prä-Verbrechen stand und Zugang zu den Analysegeräten hatte. Daß Lisa dabei eine Rolle spielte, war unwahrscheinlich. Aber die Möglichkeit bestand.
    Bei der Intrige konnte es sich natürlich um eine großangelegte, ausgeklügelte Geschichte handeln, zu der weit mehr gehörte als nur eine »gezinkte« Karte, die an irgendeiner Stelle eingeschleust worden war. Womöglich waren die Originaldaten frisiert worden. Es war nicht festzustellen, an welchem Punkt die

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