Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
hoch rühmen!«, fuhr Drostac dazwischen, und seine Barthaare bebten.
»Und sie erweisen sich damit als unehrenhaft und unseres Gehorsams nicht würdig«, fügte Morigenos hinzu.
Cloto zuckte mit den Schultern. »Ich sage euch das um euretwillen, nicht um meinetwillen.«
Da drängte Boudicca vor – überrascht von sich selbst, da sie offenbar noch immer zu Wut und Zorn fähig war. »Wie kannst du es wagen, so zu reden, wo die Asche meines Mannes noch warm ist? Er hat Rom vertraut. Mach dich fort zu deinen Meistern, damit sie dir beibringen, was man unter Ehre versteht, sofern sie das überhaupt selbst wissen!«
»Hältst du dich etwa für eine zweite Cartimandua?«, höhnte er. »Ihr vertrauen sie nämlich nicht, und dir schon gar nicht.«
Ein tiefes Murren ging durch die Runde um das Feuer, das sich anhörte wie Hunde, die knurren, wenn sie einen Feind riechen. Zum ersten Mal schien Cloto zu begreifen, dass er in Gefahr sein könnte. Er stand auf, zog sich den Umhang über die Schultern, bedacht, wenigstens einigermaßen Würde zu wahren.
»Treibt es nicht zu weit. Ihr seid gewarnt«, sagte er.
»Wir haben deine Worte gehört.« Boudicca baute sich vor ihm auf, und die Männer lachten, als er unter ihrem funkelnden Blick in sich zusammensackte. »Los! Scher dich fort! Auf der Stelle!«
Nachdem Cloto gegangen war, nahm sie wieder ihren Platz ein und nickte Morigenos zu. »Entschuldige meine Einmischung. Fahre fort!«
»Wir danken dir, dass du uns diesen Hundesohn vom Hals geschafft hast.« Sein Blick ruhte kurz auf ihr, dann wandte er sich wieder an die anderen. »Nicht, dass ich seinen Worten Glaube schenke. Die Römer haben die Königin der Briganten sehr unterstützt. Wieso also sollten sie im Land der Icener nicht ebenfalls eine Königin anerkennen? Einen männlichen Nachfahren der alten Blutslinie gibt es nicht, aber Boudicca und ihre Töchter sind von dieser Herkunft, und sie hat an der Seite ihres Gemahls geherrscht. Ich schlage vor, wir ernennen sie hiermit zur Königin. Und wenn ihre Töchter einmal verheiratet sind, ist immer noch Zeit, die Wahl eines neuen Königs zu erwägen.«
»Darauf haute ich die ganze Zeit gehofft!« Rigana drückte die Hand ihrer Mutter. »Mutter, warum schaust du so überrascht? Das war doch naheliegend.«
Für Boudicca aber kam es völlig unerwartet. Doch während die Stammesmänner in Jubel ausbrachen, hörte sie einmal mehr die Stimme Prasutagos’, der sie bat, sein Volk zu schützen. »Für dich will ich es tun …«, sagte sie lautlos. »Für dich …«
Boudicca wartete in der Mitte des Erdwalls, dort, wo sie damals mit Prasutagos gestanden hatte, als ihr Bund geschlossen worden war. Seinen Körper, mit dem der Hochzeitsritus sie verbunden hatte, gab es nicht mehr, doch mit seiner Seele war sie nach wie vor vereint. Und wie sie so dastand, ringsum grüne, wogende Felder, konnte sie ihn fast an ihrer Seite spüren. Er hatte dieses Land geliebt, und sie hatte ihn geliebt. Wenn sie in seine Fußstapfen trat, dann würde er vielleicht neben ihr gehen, und sie könnte es sogar wagen, langsam wieder Tritt zu fassen, sich tastend zurechtzufinden.
Die Druiden, die neben Brangenos bei Prasutagos’ Begräbnisritual dabei gewesen waren, waren längst abgereist, vor lauter Furcht geflohen oder hielten sich versteckt, denn die Römer hatten einen Bann über den Druidenorden verhängt. Nur Brangenos, der wenige Tage nach der Ratsversammlung völlig unerwartet zusammen mit Rianor aufgetaucht war, war so wehrhaft, nun seinen Dienst zu tun.
»Boudicca, Tochter des Dubrac, aus der Linie des Brannos, des Sohnes der Weißen Stute, willst du die Königin des Volkes und die Herrin des Landes sein?«
»Ja, ich will.«
Zuvor hatte man sie mit Feuer, Wasser, Erde und Luft gereinigt und gesegnet. Und sie fühlte plötzlich, wie sie erstarkte, als ob sie in diesem Boden Wurzeln geschlagen hätte.
»Und schwörst du, den Icenern eine Mutter zu sein, sie in Zeiten des Friedens zu nähren, in Zeiten des Krieges zu schützen, die Rechte der Schwachen hoch zu erhalten und die Übeltaten der Starken und Mächtigen zu strafen?«
Schlagartig wurde sie sich all der Leute um sie herum bewusst, der Stammesführer, die mit ihr auf dem Erdwall standen, sowie all der anderen, die sich außerhalb zusammengefunden hatten. Die Luft erfüllte sich mit geballter Energie. Und ihre Stimme zitterte, als sie antwortete.
»Ja, ich schwöre.«
»Tochter des Dubrac, bei welchem Willen schwörst du
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