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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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verschwamm vor ihren Augen, während der innere Zwist ihre Sinne verwirrte und ihr Bewusstsein trübte. Sie spürte, wie das Pferd unter ihr sich in Bewegung setzte, als sie einem der Männer den Speer entriss. Und dann war es Cathubodva, die auf das unfehlbare Ziel losging – es war ihre Macht, die den Speer an der Schulter des Schänders vorbei und mitten hinein in das Herz seines Opfers stieß.
    Nun walte du, Göttin, dachte sie verzweifelt. Wenn das alles so sein muss, dann will ich es nicht mit ansehen.
    Und diesmal löste sie sich bereitwillig von ihrem Bewusstsein und fand die Gnade der Morrigan, die sie samt ihrem Schmerz unter ihre dunklen Schwingen nahm.
    Als sie weiterzogen, floss in den Rinnen der Straßen Blut, und die Raben schrien. Selbst die Begleittrupps der Königin hielten Abstand zu der, welcher sie folgten – denn die ruhige klare Stimme, die Anweisungen gab, wo sie nach Wertvollem suchen sollten, erklang mit einem Nachhall, der übermenschlich war, und der Geist, der sie führte, offenbarte eine zähe Geduld, die sie nicht fassen konnten.
    Boudicca selbst wandelte durch einen Eichwald mit bunten Herbstblättern und etwas, das sie auf den ersten Blick für Eicheln hielt. Als sie näher trat, sah sie, dass es Köpfe waren. Die Gesichter waren verzerrt, doch vermochte sie nicht zu sagen, ob aus Verzückung oder Zorn.
    »Dies ist meine Ernte … ihr Blut wird mein Land nähren«, klang eine harsche Stimme von oben.
    Sie blickte auf: Auf einem der Äste stakte ein Rabe mit roten Augen.
    »Menschen sind nicht anders als andere Wesen auch«, sagte der Rabe. »Die starke Gruppe erobert die schwache, und wird die starke dann schwächer, kommt die nächste und erstarkt an dieser … Kampf und Rivalität sind unumgänglich. Der Zorn greift um sich wie ein großes Feuer, brennt Schwachheit nieder und offenbart in seinem Licht den wahren Kern. Die Stärksten überleben. Blut und Geist mischen sich, und was daraus erwächst, ist noch viel stärker.«
    »Ist dies der einzige Weg?«, schrie Boudicca.
    »Dies ist der Weg, dem du jetzt folgen musst«, antwortete die Rabenstimme. »Britannien ist bereits eine Mischung aus vielerlei Geblüt, von Völkern, die einst erbittert gegeneinander gekämpft haben, als sie an diese Ufer kamen. Bald werden noch mehr kommen, und der Sieger von heute wird fallen, seine eigene Stärke in diesem Land verlieren.«
    »Das ist eine harte Lehre«, sagte Boudicca.
    »Das ist meine Wahrheit – die Wahrheit des Raben, der Weg des Raben. So oder so, der Kreislauf muss weitergehen. Das Gleichgewicht muss erhalten bleiben. Und es gibt mehr als eine Art des Sieges …«
    Als Boudicca wieder zu sich kam, war sie zurück im Lager und stieg von ihrer Stute Branwen. Brangenos fing sie auf, als ihr die Knie weich wurden, während Eoc die Stute wegführte, deren weißes Fell rot befleckt war. Der Gestank von Blut umgab sie. Boudicca sah an sich herab und bemerkte, dass ihre Beine bis zu den Knien vollgespritzt waren mit verkrustetem Blut. Bogle jaulte und legte sich nieder. Auch er war blutverschmiert.
    »Eine rote Frau auf einem weißen Pferd führt uns«, raunten sich die Krieger zu. »Und mit ihren Jägern aus der Jenseitigen Welt, den weißen, rotohrigen Hunden …«
    »Ist mein Pferd wohlauf?« Ihre Stimme schien von weit her zu kommen.
    »Sie muss dringend geputzt werden, wie du – aber sie ist Branwen: der weiße Rabe. Ein besseres Reittier könnte die Herrin der Raben nicht haben.«
    Aber ich war doch das Pferd, dachte Boudicca benommen und fragte sich, was passiert war, nachdem die Göttin sich ihrer Sinne bemächtigt hatte.
    Die Gesichter um sie leuchteten im warmen Glanz der untergehenden Sonne, doch der Horizont war dunkel. Langsam dämmerte ihr, dass das Licht den Schein der Wolken über der brennenden Stadt zurückwarf. Es war vorbei, fürs Erste jedenfalls – vorläufig –, und die Toten hatten ihren Scheiterhaufen.
    »Komm«, sagte Brangenos und schob ihr die Hand unter den Ellbogen, um sie zu stützen. »Du brauchst Wasser. Du brauchst Ruhe.«
    »Ja, aber das Wasser brauche ich zuerst, um mich zu waschen.«
    Sie hatten ihr Lager an einem der kleinen Bachläufe aufgeschlagen, die in die Tamesa mündeten. Ungeachtet der entsetzten Rufe ihrer Haushälterschaft lief Boudicca durch das schilfige Dickicht und tauchte ins Wasser. Und Bogle sprang hinterher. Das kalte Nass rüttelte ihr Bewusstsein vollends wieder wach und wusch das Blut von ihr ab. Als sie sich danach mühsam ans

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