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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Ufer schleppte, zitterte sie am ganzen Leib. Der Hund tollte durch das Schilf, schüttelte sich und versprühte nach allen Seiten einen kleinen Spritzwasserregen.
    Temella eilte mit einer Decke auf sie zu und versorgte sie mit einer heißen Suppe. Dann setzte sich Brangenos neben sie, und jeder, der an ihrem Zelt vorüberkam, verneigte sich. Als ein kräftiger Mann mit einer Axt im Gürtel vorbeilief, sagte sie: »Diesen Mann habe ich in der Stadt erlebt. Er hat einen Römer getötet, der sein Haus verteidigte. Aber er sah anders aus …« Sie zeigte in die Menge. »Sie alle sahen anders aus. Jetzt sehen sie wieder so aus wie immer. War es nur Einbildung? Was habe ich wirklich gesehen?«
    Der Druide seufzte. »Es gibt einen Geist, der von Menschen Besitz ergreift, die durch heftige Gefühlswallungen verbunden sind. Ich weiß nicht, ob das ein Fluch oder ein Segen ist.«
    »Der Segen der Morrigan«, sagte sie düster. »So wie das, was mir geschehen ist.«
    »So in etwa, außer dass es sich um einen geteilten Rausch handelt, der dann entsteht, wenn viele Seelen unter großer Anspannung zu einer verschmelzen.«
    »Werden sie sich erinnern an das, was sie getan haben?«
    »In einem solchen Zustand sind wir Menschen zu großen Taten voller Heldenmut fähig – oder voller Grausamkeit.« Sein hageres Gesicht wirkte finster. »Die Unfähigkeit, sich an das Geschehene zu erinnern, befreit sie von der Sehnsucht, diese Ebene noch einmal erreichen zu wollen. Das Geschehene zu vergessen ist gut … oder meinst du, sie könnten sonst ihren eigenen Frauen und Kindern je wieder ins Gesicht schauen, wenn sie sich an alles erinnern könnten, was sie getan haben?«
    »Aber wenn sie sich nicht erinnern, dann werden sie es wieder tun …«, sagte sie, wohl wissend, dass es ihr nicht anstand, darüber zu richten. Schließlich hatte sie es zugelassen, dass sich eine gleichermaßen unerbittliche Macht ihrer eigenen Sinne bemächtigte. »Und sollte der Rabe der Schlacht je wieder von mir Besitz ergreifen, dann werde ich …« Sie schluckte. »Gibt es denn keinen Weg, einen Krieg in aller Ehre zu führen?«
    »Mit vollkommenen Soldaten – mit vollkommener Selbstbeherrschtheit?«, antwortete er. »Zu alten Zeiten zogen die Kämpfer aus, und es kämpfte Heer gegen Heer. Der Kampfeswille ritt mit ihnen, und der Kampf bedeutete allen eine Ehre. Doch diese Art der Kriegsführung wird gegen die Römer nicht möglich sein. Was wir hier haben, meine Königin, ist kein Heer. Vielmehr eine wilde, unaufhaltsame Horde, ein Tier außer Rand und Band, geboren aus Schmach und Schmerz, das mordend und brandschatzend quer durchs Land zieht.«
    »Ja, sie hat so etwas Ähnliches gesagt«, nuschelte Boudicca und bemerkte seinen fragenden Blick. »Während sie den Kampf führte, sprach sie gleichzeitig mit mir in einem Eichwald, wo Männerköpfe verstreut auf dem Boden lagen.« Sie stockte, versuchte, sich Cathubodvas Worte in Erinnerung zu rufen.
    »Ja, das ist in der Tat eine harte Lehre«, stimmte der Druide zu, als sie ihm das Erlebnis erzählt hatte. »Aber es ist alles, was wir haben. Wenn dieses Feuer, das du entfacht hast, den Kampfgeist aller Stämme zu entfachen vermag, dann können wir die Römer immer noch aus diesem Land jagen. Wenn nicht, wird unser eigenes Blut den Boden tränken. Du wirst die Dinge nicht aufhalten, meine Königin, du kannst das Feuer nur anfachen und hoffen, dass sie rasch und bis auf den letzten Mann verbrennen.«
    Boudicca löffelte die warme Suppe, aber warm wurde ihr dabei nicht. Mehr denn je begriff sie nun, warum Prasutagos sich so ernsthaft um Frieden bemüht hatte. Und plötzlich verspürte sie ein schmerzliches Verlangen nach seinen starken Armen, nach Leben in dieser Ödnis. Würde er sich voll Grausen von ihr abwenden, wenn er sähe, was sie tat? Doch der Frieden, den die Römer ihnen aufgezwungen hätten, wäre einem lebendigen Tod gleichgekommen, einer Zerstörung ohne Hoffnung auf Erneuerung.
    »Meine Königin, wenn du willst, mische ich dir einen Trank, damit du ruhig schlafen kannst …«, sagte Brangenos.
    Sie blickte auf, sah ihn mit einem Mal als Mann, noch immer stark, trotz der weißen Strähnen im Haar. Wenn sie ihn fragen würde – würde er sich mit ihr vereinigen? Ihre Blicke kreuzten sich, und sie wusste die Antwort.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf, überging ihn, überging sich selbst und ihr sehnsuchtsvolles Verlangen. »Wenn diejenigen, die heute gestorben sind, ihre Qualen ertragen konnten,

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