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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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dann will auch ich meine Träume ertragen – das ist das Mindeste, was ich tun kann …«
    Die lange Reise über das Meer verging wie im Traum. Das Sommerland schien der Welt des Todes und der Schlacht, die Lhiannon hinter sich gelassen hatte, ganz fern. Während der Bootsmann das lange, flache Boot durch das Sumpfland stakte, sahen sie sich rings umgeben von einem Dickicht aus Schilf und Weiden, aus dem überall helle Schwärme von aufgestörten Mücken sirrten.
    Jeden Morgen stieg Nebel über dem Wasser auf und zog einen geheimnisvollen Schleier über das Sumpfland. Lhiannon hoffte, dass, wenn er sich gelichtet hätte, sie sich in der Jenseitigen Welt wiederfinden würde, aber die langen Lichtstrahlen der Nachmittagssonne offenbarten die gleiche Landschaft wie zuvor. Doch mit jedem Tag erschien die Spitze des Tor deutlicher über dem waldigen Sumpf, bis sie schließlich im letzten Licht der Abendsonne die Ufer von Avalon erreichten.
    Das kleine Haus, in dem Lhiannon gewohnt hatte, hatte einen Teil seines Strohdachs verloren – die Druiden hatten während der vergangenen Jahre nicht viel Zeit für Weihezeremonielle gehabt, und nur eine alte Priesterin namens Nessa war auf der Insel geblieben –, ansonsten aber schien alles unverändert. Das zierliche, dunkelhaarige Volk des Sumpflandes versorgte sie mit Essen und brachte die Kranken zu ihnen, damit sie sie heilten. So wie das Sommerland Tag um Tag vor sich hin schlummerte, fand auch Lhiannon langsam zur Ruhe. Selbst wenn Avalon keine Antwort bereithielt, so konnte sie zumindest zeitweilig die quälenden Fragen vergessen.
    Ihre einzige Sorge galt Coventa, die tagsüber nach wie vor litt und nachts von Albträumen heimgesucht wurde. Eine Woche nach ihrer Ankunft auf der Insel wachte Coventa eines Morgens weinend auf. Seufzend stand Lhiannon auf, hielt sie in den Armen, bis das Schluchzen langsam verstummte.
    »Nessa, würdest du das Feuer anzünden und einen Kessel Wasser für Kamillentee zum Kochen bringen?«
    »Danke«, sagte Coventa, als die alte Frau ihr den Becher reichte. »Tut mir leid, dass ich euch jeden Tag so zur Last falle.«
    »War es wieder ein Albtraum?«, fragte Lhiannon.
    Coventa seufzte. »Ich habe geträumt, dass ich einen Sohn gebären würde, der gesund heranwächst, stark ist und goldenes Haar hat. Aber als er zum Mann wurde, verwandelte er sich in einen Raben und flog davon.«
    »Hast du deshalb geweint?«
    Coventa schüttelte den Kopf. »Er war ein schöner Junge. Es hat mich mit Freude erfüllt, ihn anzusehen. Ich habe geweint, weil ein Krieger aus ihm wurde.«
    »In deinem Traum«, sagte Lhiannon und runzelte die Stirn.
    »In dieser Welt.« Coventa sah sie mit einem entrückten Lächeln an. »Ich hätte nie erwartet, dass ich so etwas einmal erleben muss, aber das Leben unter Frauen kann mitunter auch lehrreich sein. Meine Brüste sind empfindlich, meine Blutungen sind ausgeblieben, und jeden Morgen ist mir schlecht. Ich glaube, dass ich ein Kind erwarte.«
    »Von den Römern …« Lhiannon holte tief Luft.
    »Von einem von ihnen«, berichtigte Coventa. »Auch bei den Römern, so denke ich mal, hat jedes Kind nur einen Vater.«
    »Ich kenne Kräuter, die du einnehmen kannst, um diese Abscheu loszuwerden«, sagte Lhiannon. »Ich werde das Sumpflandvolk fragen, wo sie hier wachsen.«
    »Nein. Die Frucht, die ich in meinem Schoß trage, ist zwar noch kein Kind, aber ich kann ihm sein Leben nicht absprechen. Ich glaube, dass er eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben wird.«
    Lhiannon starrte sie an, verständnislos. Ich würde mir eigenhändig den Mutterschoß aus dem Leib reißen, bevor ich ein römisches Kind austrage! Coventa ist bestimmt nicht die Einzige, die mit diesem Schicksal beladen ist, dachte sie weiter. Vielleicht sind die anderen Frauen ja vernünftiger und töten ihre Brut noch vor der Geburt; und falls es ihnen nicht gelingt, werden sie es bestimmt danach tun.
    Doch sie sprach ihre Gedanken nicht laut aus, denn Coventa sah inzwischen viel besser aus als all die Tage zuvor, und sie wollte ihr Gemüt auf gar keinen Fall trüben.
    »Unser nächstes Ziel sollte Verlamion sein«, sagte Vordilic. »Oder eher Verulamium«, fügte er hinzu, die lateinische Form gebrauchend, und lachte hämisch. Er war grauhaarig wie ein Dachs, gehörte zum Stamm der Catuvellaunen und war über irgendeine Linie mit Caratac verwandt. »Die königliche Festungsanlage an den Ufern der Ver war für meinen Stamm einst der heilige Mittelpunkt. Die Stadt,

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