Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
fort wiederholte.
»Schafft das Verbandszeug in den Wagen!«, befahl Ardanos scharf. »Man wird die Verwundeten aus dem Schussfeld in die hinteren Linien bringen, wo immer die sein mögen!«
Die Taktik, mit der Caratac am Middle River gescheitert war, müsste für ihn und Togodumnos an der Tamesa eigentlich aufgehen. Um den Fluss zu überqueren, brauchten die Römer große Flöße und Barken, die beim langsamen Übersetzen leicht angreifbar waren. Lhiannon schnappte sich das Verbandszeug, das sie bereitgelegt hatten, und sah in diesem Augenblick, dass die Barken bereits losgemacht hatten. Aus der Ferne wirkten sie klein und zusammengeschrumpft – wie funkelnde Holzroste mit all den bewaffneten Kriegern an Bord.
Ein Angriff wäre aber noch verfrüht, denn die vereinten Heere der Trinovanten, Catuvellaunen und Cantiacer mussten damit rechnen, dass ihr Flankenschutz bereits von den Germanen niedergeschlagen worden war, grimmigen Kämpfern, deren Stämme eng verwandt mit den Belgen waren. Damit war zu rechnen, denn die Italer waren im römischen Heer eine Minderheit. Und insofern waren die meisten der Männer auf den herannahenden Barken selbst Kinder eroberter Völker. Sollten die Britannier nun ebenfalls geschlagen werden, dann würden auch ihre Kinder eines Tages diese verhasste Uniform tragen.
Lhiannon warf den Sack mit dem Verbandszeug in den Wagen, verstaute auch die Töpfe mit den Salben und war froh, dass sie zumindest Bendeigid überreden konnte, sich im Hintergrund bei den Wagen zu halten. Ringsum liefen die Stämme zu einem ungeordneten Haufen zusammen, suchten sich irgendwie zu formieren, um sich dem Feind entgegenzustellen. Da kam die erste römische Barke in Schussweite. Und die Bogenschützen, die Togodumnos gleich hinter dem ersten Wall in Stellung gebracht hatte, feuerten ihre Pfeile ab. Der erste Legionär ging über Bord und wurde vom Gewicht seiner Rüstung unter Wasser gezogen, während sein roter, mit zwei Flügeln bemalter Schild und auch die Pfeile golden schimmernd flussabwärts trieben.
Der Tumult wurde immer lauter, und Belina nahm das Pferd am Halfter, das nervös mit den Ohren zuckte, und führte es ein Stück weg, während sie ihm beruhigende Worte zuflüsterte in einer Sprache, die nur Pferde verstehen. Lhiannon griff den letzten Sack und eilte hinterher.
Der Lärm schwoll orkanartig an, als die Batavier vorrückten und einen Keil in die Reihen der Flanke trieben. Die Schützen schossen eine Salve aus feuerharten Lehmkugeln ab, die umherschlugen wie ein wild gewordener Bienenschwarm, bevor Freund und Feind zu einem einzigen verworrenen Haufen verschmolzen. Eine Schlacht von oben zu sehen war für Lhiannon ein schauriger Anblick gewesen, doch mittendrin zu sein war das blanke Grausen. Hätte sie sich nicht ein Leben lang in mentaler Disziplin geübt, hätte sie es nicht ertragen.
Die Gesichter der Männer, die an ihr vorbeirannten, waren vor Zorn verzerrt. Lhiannon konnte spüren, wie die Herrin der Raben über dem Schlachtfeld Gestalt annahm, herbeigerufen durch den rasenden Zorn, der auch in ihrer eigenen Seele flackerte – wie schwarze Flügel. Doch ihr Versprechen, das sie Ardanos gegeben hatte, hielt ihn in Schach. Mit dieser inneren Stärke bewaffnet, klammerte sie sich an die Haltestange im Innern des Wagens, während dieser über den Hügel bergauf rumpelte.
Im Westen lieferte sich der südliche Stamm der Dobunni einen erbitterten Kampf mit den Bataviern. Die nördlichen Stämme sollten ihnen eigentlich zur Seite stehen, doch König Bodovoc hatte sich als Verräter entpuppt und sich vor der Schlacht am Middle River mit den Römern verbündet, weshalb die ersten Barken nun ungehindert am morastigen Flusssaum entlang immer weiter vorrückten. Und kaum waren die keltischen Krieger in Schussweite, feuerten die Römer einen wahren Pfeilhagel ab, trafen Männer und Schilde und eröffneten ihren ersten Schlachtreihen immer größeren Raum. Die Britannier konnten nicht mehr standhalten, wurden zurückgedrängt. An den Ufern formierten sich die einfallenden Soldaten mit Lanzen und Schilden zu einer geschlossenen Reihe, um der Nachhut eine sichere Anlandung zu ermöglichen.
Immer mehr Barken zogen herauf und setzten immer mehr Krieger ab, welche die stählerne Schlachtreihe verstärkten, die mit jedem Augenblick mächtiger wurde. Sie stießen vor wie ein bewegliches Bollwerk, gegen das die keltischen Krieger mit ihren langen Lanzen und scharfen Schwertern vergeblich ankämpften. Ein
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