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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Caratac hatte seine Mannen unter Kontrolle. Hinter der Reihe der Verteidiger standen die Streitwagen und dahinter unzählige johlende Krieger. Ein hohles Dröhnen erfüllte die Luft, als sie ihre langen Schwerter gegen die Schilde schlugen.
    Lhiannon schauderte angesichts dieser tödlichen Schönheit, doch die Zeit des Abwartens war nun vorbei. Die Reihen schlossen sich, und die Krieger setzten die Füße fest auf den lehmigen Boden und holten tief Luft, um diesem Gefecht zu begegnen.
    »Oh, ihr mächtigen Toten, ich rufe euch!«, sang Ardanos laut. »Ihr, die ihr die Väter dieser Feinde bekämpft habt, höret uns jetzt. Steht auf, um uns zu helfen, ihr, die ihr diese Felder mit eurem Blut getränkt habt im Kampf gegen Caesars Legionen, denn der alte Feind bestürmt uns nun aufs Neue. Steht auf in Zorn! Steht auf in Wut! Steht auf und treibt die römischen Horden schreiend zurück über das Meer!«
    Die keltischen Krieger unten im Tal erwiderten die Rufe mit lautem Geschrei und stürmten schließlich kampfbereit und laut johlend zum Angriff. »Boud! Boud!, schrien sie. »Sieg!«
    Die Streitwagen stoben in Richtung Feind davon, und die Lenker hatten alle Mühe, die leichtfüßigen Pferde um die Hindernisse in der Landschaft herumzulenken, während die Wagen dahinter wilde Sprünge machten. Doch wundersamerweise schafften es die Krieger, das Gespann im Gleichgewicht zu halten und gleichzeitig ihre Wurfspeere zu heben. Immer näher preschten sie heran, gingen in Stellung – und die ersten Römer fielen mit den ersten Speeren, die in hohem Bogen durch die Luft flogen.
    Doch die Wurfspieße der römischen Legionäre waren ebenso tödlich, obgleich sie eine kürzere Reichweite hatten. Als einer der Streitwagen in Reichweite der Römer kam, sah Lhiannon, wie ein Wurfspieß sich seitlich in den Wagen bohrte. Das Gewicht des Holzschafts bog den langen Hals des eisernen Speeres so, dass er sich in den Rädern verfing, im nächsten Augenblick in das Gestell einschlug und es in Stücke fetzte. Der speerbewaffnete Krieger und der Lenker des Wagens sprangen gerade noch ab, bevor die Pferde in heller Panik durchgingen und Freund und Feind gleichermaßen in Angst und Schrecken versetzten.
    Oben auf dem Hügel ging ein rauschendes Zittern durch den Blätterwald, das nicht vom Wind kam. Und das Kribbeln, das Lhiannon Gänsehaut verursachte, kam auch nicht von der Kälte. Die toten Seelen waren da. Ob Ardanos’ Bittrufe sie erweckt hatten oder das keltische Kriegsgeschrei – sie wusste es nicht.
    Sie nahm das Geschehen auf zwei verschiedenen Ebenen wahr, sah unten im Tal die kämpfende Meute der Lebenden auf dem Schlachtfeld und oben am Firmament die Geister ihrer Gegenstücke, verbissen in einer tödlichen Schlacht, so wie vor fast einem Jahrhundert auch. Daneben erblickte sie andere Gestalten, so riesenhaft, dass sie immer nur einen flüchtigen Blick auf einzelne Teile erhaschen konnte: einen gefiederten Helm, einen Speer, der wie ein Blitz niederfuhr, einen Rabenfedernumhang, einen Adlerkopf mit spitzem Schnabel, der seinen Gegner niedermetzelte.
    Sie riss den Mund auf, stieß einen Schrei aus, spürte, wie er lauter und lauter schallte, orkanartig anschwoll, als die anderen in wildem Geschrei einfielen, das durch beide Welten hallte. Es war nicht der Kriegsschrei der Morrigan, der Göttin des Krieges, aber er genügte, um die ersten Schlachtreihen des römischen Heers ins Wanken zu bringen. Für kurze Zeit genossen die Druiden den Triumph, dann bliesen die römischen Trompeten erneut zum Kampf, und der Feind preschte mit erstarkten Kräften weiter vor.
    Lhiannon ballte zornentbrannt die Fäuste. Könnte sie doch nur selbst dort draußen sein und den Feind bekämpfen! Da hörte sie aus dem Baumwipfel über ihr einen Raben rufen, doch was sie hörte, waren Worte – »Das kannst du, das kannst du, fliege auf meinen Schwingen, fliege …« Dann verschwamm die Vision, und sie taumelte benommen, hörte jemanden fluchen, als sie zu Boden fiel, aber das ergab keinen Sinn – sie stieg auf, schwang sich in die Höhe, verließ ihre schwache fleischliche Hülle und schwebte hoch über dem Schlachtfeld.
    Sie erspürte, dass ein weiterer Rabe mit ihr flog. Und in jenem Teil ihrer Seele, der noch über ein erinnerliches Bewusstsein verfügte, erkannte sie auch, wer es war – Belina. Doch ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Männer gerichtet, die dort unten kämpften, auf das Blitzen der Schwerter und das Blut, das spritzte, wenn Stahl

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