Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
zärtlich, bestimmend, bis ihr Schoß sich öffnete, sie bereit war, ihn mit ihrem ganzen Wesen zu umfangen, ihn in sich aufzunehmen wie die Wasser der Heiligen Quelle.
»Boudicca!« Nessas Stimme schallte über den Hof. »Komm, meine Liebe – dein Gemahl sagt, du sollst nicht so schwer heben – also komm, lass es!«
Boudicca seufzte und setzte die Armladung Holz ab, die sie ins Haus tragen wollte. Nessa war zusammen mit dem Pulk von Wagen gekommen, der die Hochzeitsgeschenke nach Eponadunon gebracht hatte, kurz nachdem sie mit Prasutagos dort eingezogen war. Ihre Mutter hatte die alte Nessa mitgeschickt, damit sie ihr im neuen Heim zur Hand ging – oder aber auf sie aufpasste. Denn kaum war klar, dass Boudicca schwanger war, hatten Nessa und Prasutagos sich verschworen, sie zu behandeln, als sei sie aus römischem Glas. Im Winter, als bei eisigem Regen sowieso niemand vor die Tür wollte, war das alles schön und gut gewesen, doch jetzt war das Beltane-Fest vorbei, und das sonnige Wetter zog jeden hinaus. Im Nachhinein, so dachte sie, sollte sie ihrer Mutter dankbar sein, dass sie die Alte damals nicht mit nach Mona geschickt hatte, obgleich sie lächeln musste bei der Vorstellung, wie Nessas Überfürsorge an Lhiannon abgeprallt wäre.
Sie vermisste Lhiannon, deren ruhige Art ihr so hilfreich gewesen wäre beim Eingewöhnen in ihr neues Zuhause. Eponadunon lag an der Biegung eines kleinen Flusses, einen halben Tagesritt entfernt vom Meer, besser gesagt vom sumpfigen, salzigen Marschland und dem Wattschlamm an der nordöstlichen Küste, wo Boote nur über eine schmale Wasserrinne bis zum Ufer kamen. Im Süden, einen weiteren halben Tagesritt entfernt, lag die Heilige Quelle. Doch seit sie in Eponadunon lebte, war sie zu beschäftigt gewesen, um sie noch einmal zu besuchen. Wie gern hätte sie diese Quelle Lhiannon gezeigt.
»Komm jetzt, meine Liebe – ins Haus mit dir.« Nessa packte sie am Arm.
»Ich bin jung, gesund und habe mich nie besser gefühlt! Und in der Frühlingssonne werde ich vor Hitze bestimmt nicht vergehen!«, meinte Boudicca und sah sie an.
»Einer der Burschen, der das Vieh hütet, ist gekommen. Er hat Reiter am Weg gesehen – du ziehst besser diesen alten Umhang aus.«
Boudicca seufzte ergeben, folgte Nessa in das größte der drei Rundhäuser und spürte eine innere Unruhe aufsteigen. Eponadunon lag fast ebenso abgeschieden wie Mona, aber im Gegensatz zum Erzdruiden verfügte Prasutagos nicht über ein Netzwerk an Informanten, die ihn über alles Neue auf dem Laufenden hielten. Doch nun, nachdem sich der erste Schock über die römische Eroberung gelegt hatte, kamen langsam wieder Händler und Handwerker in die abgelegene Gegend und mit ihnen so mancher Klatsch und Tratsch.
Eine Neuigkeit war die, dass sich Claudius elf Könige unterworfen haben sollten. Zu seinen Triumphen gehörte natürlich auch die Eroberung von Camulodunon, die als siegreiche Einnahme einer umwallten Stadt geschildert wurde. Weiter erzählte man sich, dass die römische Legion, die zurückblieb, um die Trinovanten aufzuhalten, auf dem Hügel über den Ruinen eine neue Festung errichtete.
Doch die Ankömmlinge heute waren keine Händler. Während Boudicca noch dabei war, ihre Tunika festzustecken, kam eines der Mädchen, das am Fluss beim Wäschewaschen gewesen war, eilends herbei und verkündete, dass ein Trupp von Römern den Weg heraufzog.
»Der König ist heute Morgen zur neuen Festung geritten – wir können ihm einen Burschen nachschicken. Aber das kann dauern, und bis er zurück ist, müssen wir die Ankömmlinge irgendwie unterhalten«, entgegnete sie dem Mädchen. »Unser Brot ist noch im Ofen. Sag allen Bescheid. Dann lauf geschwind zum nächsten Gehöft und schau, was du dort Essbares bekommen kannst. In der Zwischenzeit müssen sich unsere Gäste mit Wurst und Käse zufriedengeben.«
Während ringsum geschäftiges Treiben ausbrach, kümmerte Boudicca sich um ihre Aufmachung, griff nach der Schmuckdose, um Halsketten und Armreife anzulegen. Sie lebten recht einfach, und ihre kleine Feste würde die Besucher nicht sonderlich beeindrucken, aber zumindest wollte sie wie eine Königin erscheinen.
Als die Fremden schließlich eintrafen, war das Haus gekehrt und die gröbste Unordnung beseitigt. Boudicca nahm die Ankömmlinge in Empfang, hielt zur Begrüßung ein Trinkhorn mit dem letzten Rest Wein von der Hochzeit bereit. Bei ihr standen ein paar junge Krieger, die zu dem halben Dutzend gehörten, die
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