Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Hängen floss. Doch der Pfad war gut erkennbar, das Gelände unterhalb der Quelle gerodet und das Gras noch saftig grün. Zwischen den Bäumen standen vereinzelt schilfgedeckte Hütten, die den durchreisenden Pilgern als Raststätte dienten. Allerdings war um diese späte Jahreszeit an diesem ansonsten viel besuchten Ort kein Mensch unterwegs.
Prasutagos ließ Boudicca zurück, um in einer der Hütten das Nachtlager zu bereiten, während er sich zum nahen Gehöft aufmachte, um etwas zum Essen zu holen. Vielleicht aber – so dachte sie – wollte er ihr einfach noch ein bisschen Zeit geben, um sich auf den Vollzug der Ehe einzustellen. Denn hätte er sie gedrängt, dann hätte sie sich möglicherweise verwehrt. Verwehren aber konnte sie sich nicht der Tatsache, dass seine Zurückhaltung auch eine Aufforderung war, nämlich die, den Bund zu vollenden, den sie im Heiligen Kreis geschlossen hatten. Sie faltete beide Decken auseinander und legte sie übereinander.
Da Prasutagos noch nicht zurück war, nahm sie die Wasserbeutel und machte sich auf den Weg zur Heiligen Quelle. Auch ein verbliebenes Zierband aus ihrem Haar nahm sie mit. Das Wasser aus der Quelle rann über einen sanft abfallenden Hang in ein kleines Becken im Boden, das man ausgehoben hatte, um das heilige Wasser aufzufangen. Im letzten fahlen Licht des Tages sah sie die vielen flatternden Stoffbänder, die an einen Haselnussbaum gebunden waren, dessen weites Geäst dem Ort Schatten spendete. Am Fuße des Baumes war ein Stück Holz in den Boden gerammt, in das starr blickende Augen und die Öffnung einer weiblichen Scham geschnitzt waren. Mit einem stillen Lächeln band sie ihr Zierband zwischen die anderen Bänder und kniete sich an den Rand des Wassers.
»Heilige Göttin«, flüsterte sie, »bei welchem Namen man auch immer dich hier nennt, ich verehre dich. Hilf mir, Prasutagos eine gute Frau zu sein und ihm Kinder zu gebären …« Mit etwas weicherer Stimme fügte sie hinzu: »Und hilf mir, seine Liebe zu gewinnen …« Sie schöpfte Wasser in die hohle Hand, trank und füllte dann die Wasserbeutel.
Still blieb sie in der Hocke sitzen, verbannte alle unnötigen Gedanken aus ihrem Kopf, einen nach dem anderen, so wie sie es auf der Druideninsel gelernt hatte, bis sie nur noch das süße Rauschen der Quelle hörte. Und diese einfache, natürliche Melodie erfüllte sie mit einem Bewusstsein, aus dem Worte sprachen:
Du kannst mich Heilige Mutter nennen,
denn die Milch aus meinen Brüsten ist ein
nie versiegender Quell, strömt in ewiger Liebe
für meine Kinder. Gehe in Frieden.
In Freude und in Schmerz bin ich bei dir …
Boudicca tauchte ihre Hand noch einmal ins Wasser, besprenkelte die ausgeschnitzten Augen auf dem Bildnis und spürte dabei mit jedem Spritzer ein ahnungsvolles Pochen zwischen den Schenkeln.
Von innerer Ruhe erfüllt, stand sie auf, nahm die Wasserbeutel und machte sich auf den Rückweg. In der Hütte hatte Prasutagos bereits ein Feuer entfacht, und daneben standen Obst und frisches Brot. Noch immer beseelt von der friedlichen Ruhe der Quelle, empfand sie sein Schweigen nun als äußerst wohltuend. Nach dem Essen entschuldigte er sich, ging hinaus, während sie die Zeit nutzte, sich die Kleider abzustreifen und unter die Decken zu schlüpfen.
Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er wiederkam, doch mit ihm wehte der kühle Hauch der Heiligen Quelle herein. Ob sie beide um das Gleiche gebetet hatten? Doch damit eine Bitte auch in Erfüllung ging, durfte man auf keinen Fall laut darüber sprechen.
Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt, und wie am Morgen dieses Tages hob er sich auch jetzt wieder nur als dunkler, golden umrissener Schemen gegen den Schein des Feuers ab. Sie verspannte sich, als er neben ihr unter die Decken rutschte, sich auf einen Ellbogen stützte und mit der freien Hand an einer ihrer Locken spielte. Leise murmelte er ein paar beruhigende Worte, die sie nicht ganz verstehen konnte.
Sie wollte ihm sagen, dass sie Angst hatte, aber er flüsterte eifrig weiter, strich ihr weiter über das Haar, und sie konnte einfach nicht verstehen, was er sagte. Sie musste daran denken, wie er damals am Heiligen Teich mit flüsternder Stimme auf den weißen Hengst eingeredet hatte, um ihn zu beruhigen – Pferdemagie, dachte sie, um seine rote Stute zu zähmen …
Prasutagos beugte sich zu ihr hinab, um sie zu küssen, und diesmal waren seine Lippen warm. Seine Hände streichelten über ihren Körper,
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