Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Pferd, und Boudicca stürmte auf sie zu, umarmte sie, während sie in Lachen und Tränen gleichzeitig ausbrach.
»Du hast jedenfalls nichts von deiner alten Kraft verloren«, sagte Lhiannon, als Boudicca sie schließlich wieder losließ. »Und du siehst aus wie das blühende Leben. Aber was tust du hier? Man hat mir gesagt, ich hätte noch ein paar Tagesritte vor mir bis zur Festung des Prasutagos. Den Pfad hier habe ich nur genommen, weil ich sehen wollte, ob ich auf dem nahen Gehöft eine Mahlzeit bekommen kann.«
»Ich bin sicher, dass Palos und Chandra dich herzlich aufnehmen würden, aber du brauchst sie nicht zu fragen, weil ich gleich dort oben wohne!«, rief Boudicca. »Auf dem Gehöft sind sowieso gerade alle mit den Vorbereitungen für das Beltane-Fest beschäftigt. Aber wir können eines der Lämmer schon vorab als Begrüßungsmahl schlachten. Komm!«
Vielleicht könnte sie Lhiannon unterwegs erzählen, was in der Zwischenzeit alles passiert war, seit sie sich das letzte Mal in Camulodunon gesehen hatten. Allein die Götter wussten, wie oft sie sich die ganze Geschichte immer und immer wieder selbst erzählt hatte während all der schlaflosen Nächte, in denen sie sich Lhiannon herbeigewünscht hatte.
»Ich glaube dir«, sagte Lhiannon. »Wenn die Not arg ist, dann liegt große Macht in einem solchen Ruf! Ich habe deinen Ruf auf der anderen Seite Britanniens gehört.«
Sie stockte, zerrte am Zügel, an dem sie das Pferd führte, das ein besonders saftiges Grasbüschel im Blick hatte. Auf den Weiden zu beiden Seiten labten sich Mutterschafe an der grünen Fülle, umringt von hüpfenden Lämmern. Es schien ihr, als sei die Fruchtbarkeit des Landes und seiner Tiere ein gutes Omen für Boudiccas Schwangerschaft.
Jetzt verstand sie die Tragik in den Lebensumständen ihrer jungen Freundin, doch sie wusste noch nicht, was sie tun sollte. Eine ganze Menge vermutlich, je nachdem, ob der König Gewalt angewendet oder seine junge Stute schlicht misshandelt hatte.
»Du warst auf Avalon?«, fragte Boudicca. »Süße Göttin, wie lange bist du denn schon unterwegs?«
Lhiannon legte die Stirn in Falten. »Ich habe mich kurz nach der Tagundnachtgleiche auf den Weg gemacht, nachdem der Mond gerade voll war, und nun ist er fast wieder rund. Es ging mühsam voran, bis ich auf den alten Pfad nahe Carn Ava stieß. Dann ging es recht flott, bis auf die Tatsache, dass mir eine römische Legion begegnete.«
»Warst du in Gefahr?«
»Noch ist unser Volk nicht so eingeschüchtert, dass es meine Gemeinschaft nicht ehrt, und so habe ich immer ein Haus gefunden, wo mir gegen einen Segen oder einen magischen Spruch Obdach gewährt wurde.«
Die Reise hatte Lhiannon im Grunde daran erinnert, warum sie Priesterin war. Wie sie Rianor gesagt hatte, so verdienten sich die Druiden die Verehrung des Volkes, indem sie ihm dienten. Und hier wurden ihre Dienste dringend gebraucht.
Der Weg, den Boudicca wählte, führte anfangs durch einen Wald und dann an einem Feld entlang. Als die Sonne sich im Westen senkte, erfüllten die schräg fallenden Strahlen jedes Blatt und jeden Grashalm mit Licht. Es war friedlich hier, ein guter Ort, um Heilung zu suchen. Und zwar für beide – wie ihr in diesem Augenblick kam.
Als sie auf der Spitze des Hügels beim Gehöft angekommen waren, zerriss lautes Hundegebell die friedliche Stille. Lhiannon hängte sich vor Schreck in die Zügel, als sie plötzlich eine Kreatur von der Größe eines jungen Kalbs aus dem Tor im Weidenzaun schießen und direkt auf sie zuspringen sah.
»Bogle! Aus!« Boudicca fing den Hund in der Luft ab und rang ihn zu Boden, während er wilde Verrenkungen machte, um die Priesterin zu begrüßen.
»Was, bei allen heiligen Namen von An-Dubnion, ist das?«
»Das ist mein junger Hund.« Für einen kurzen Augenblick erinnerte sie Boudiccas schelmisches Lachen an das kleine Mädchen, das sie gekannt hatte. »Aus, Bogle! Sei brav! Sie ist eine Freundin!«
Muss wohl ein Hund sein, dachte Lhiannon, als das Tier über ihre Hand schleckte; wenn auch von einer Rasse, die sie noch nie gesehen hatte. Drahtige, cremefarbige Wuschelhaare bedeckten ein mageres, langbeiniges Etwas mit einem gefährlich peitschenden, struppigen Schwanz. Und auf dem breiten Kopf, der auf mächtigen Schultern saß, wackelten ein weißes und ein rotes Ohr.
»Beeindruckend«, sagte Lhiannon tonlos, als der Hund sie ein letztes Mal abschlabberte und dann davonsprang, um ihre Ankunft zu verkünden.
»Ich glaube,
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