Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
die Göttin hat ihn mir geschickt, um meinen Verstand zu retten«, antwortete Boudicca.
VIERZEHN
Lhiannon beobachtete Boudicca sorgfältig, während der Beltane-Monat vorüberzog und das Jahr auf den Juni zuging. Es war eine Erleichterung, als das Wetter beständig heiter und schön wurde – doch selbst ohne Regen brachte dieser Monat für sie beide schlechte Erinnerungen. Und nicht nur für sie, wie sie eines Morgens erkannte, als Bogles lautes Gebell die Ankunft von König Prasutagos und seinen Männern ankündigte.
Seit jenem Besuch im Januar, von dem Boudicca ihr erzählt hatte, war er nur zweimal wieder da gewesen, aber bloß so lange wie nötig, um die Pferde zu tränken und sich zu versichern, dass es seiner Gattin gut ging. Dann war er wieder fortgeritten, was sicherlich kein Wunder war, wenn jener Besuch im Januar so ›dermaßen heftig‹ gewesen war, wie Boudicca ihr es erzählt hatte. Aber Lhiannon wusste auch, dass ihre Beziehung mit Ardanos sie kaum darauf vorbereitet hatte, eine Ehe zu beurteilen. Sie war froh um die Möglichkeit, sich ein Bild davon machen zu können, mit welcher Art von Mann Boudiccas Stamm sie verheiratet hatte.
»Meine Herrin, ich grüße dich«, sagte Prasutagos, als Lhiannon erschien, um ihn zu begrüßen. Sein Blick blieb noch kurz am Eingang hängen, aber als niemand mehr nachkam, wandte er sich ihr mit einem Lächeln wieder zu. Er schien nicht überrascht, sie zu sehen, woraus sie schloss, dass sich ihr Aufenthalt hier wie ein Lauffeuer herumgesprochen hatte. »Wir freuen uns, dir hier eine Zuflucht bieten zu können.«
Es war offensichtlich – er hatte keine Ahnung, warum sie wirklich gekommen war. Und als Boudicca mit einem Trinkhorn voll Bier erschien, bemerkte Lhiannon eine zunehmende Verspannung zwischen seinen Schultern. Boudicca trug eine Leinentunika, die an den Schultern zusammengesteckt und unter den Brüsten fest mit einem Gürtel gebunden war, sodass die vollen Rundungen ihres schwangeren Bauches klar hervortraten. Prasutagos schien schreckensbleich. Lhiannon wartete ab, wie er reagieren würde – mit Freude oder mit Zorn? Doch was sie sah, war Angst.
»Der Segen der Götter möge mit dir sein, mein Gemahl«, sagte Boudicca gleichmütig.
Prasutagos nickte und nahm das Trinkhorn entgegen. Er trank und gab es ihr zurück, ohne einen Ton zu sagen.
Das Schweigen des Königs wurde übertönt vom Lärm der anderen, die sich um die Pferde kümmerten und sich dann vor das Haus setzten, wo die Frauen ihnen das Essen servierten. Es wäre auch zu schade gewesen, an einem so schönen Junitag drinnen zu hocken. Um etwas zum Sitzen zu haben, hatten sie Baumstämme um die Feuerstelle gelegt, über der ein Kessel über einer kleinen Flamme hing. Prasutagos setzte sich auf einen geschnitzten Stuhl, der ebenfalls ein Hochzeitsgeschenk gewesen war. Boudicca saß ihm gegenüber auf der anderen Seite des Feuers. Lhiannon war froh, im Freien zu sein, wo das Licht hell genug war, um beide weiterhin beobachten zu können, denn sie war sich noch nicht sicher, was genau zwischen den beiden vor sich ging.
Was immer es war, die vergangenen Monate mussten auch ihm schwer zugesetzt haben. Der Prinz, den sie in Mona kennengelernt hatte, war zwar still gewesen, aber er hatte immerhin Worte gefunden, wenn sie nötig waren. Der König, den sie dann in Camulodunon gesehen hatte, war dagegen derart steif und verschlossen gewesen, dass er genauso gut ein steinernes Ebenbild hätte schicken können. Wenn er in der gleichen düsteren Gemütslage geheiratet hatte, dann nahm es Lhiannon nicht wunder, wenn Boudicca heftig reagiert hatte. Sie war als Mädchen schon immer geradeheraus gewesen. Doch was die Priesterin jetzt in ihm sah, ging tiefer. Er war nicht schweigsam oder still, er war beklemmt, als wäre sein Schweigen eine Schranke, um seine Gefühle zurückzuhalten, die er sich nicht zu offenbaren traute. Sie konnte seine Anspannung sehen an der Art, wie er den Kopf hielt, an den hastigen, abgehackten Bewegungen, und sie konnte den Schmerz in seinen Augen sehen, wenn er Boudicca einen Blick zuwarf.
Nach dem Essen machte Prasutagos mit dem alten Kitto einen Rundgang durch das Gehöft. Die meisten seiner Männer blieben sitzen, um die kleine Temella zu necken und mit Nessa zu scherzen. Doch kurz darauf kam Bituitos über den Hof gelaufen, stellte sich direkt vor Lhiannon hin und suchte offenbar nach Worten.
»Kann ich dir irgendwie helfen?« Lhiannon hatte Mitleid mit ihm.
»Herrin«,
Weitere Kostenlose Bücher