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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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die alten Priesterinnen von Avalon vor ihrem inneren Auge vorüberziehen. Es gab keine andere, der sie die Herrschaft über das Land anvertrauen konnte. Morgaine würde eines Tages der schwierigen Aufgabe gewachsen sein, aber jetzt noch nicht. Raven… Raven hätte vielleicht die Kraft gehabt. Aber sie hatte ihre Stimme den Göttern geweiht. Raven hatte sich dem göttlichen Wahnsinn der jenseitigen Welten überstellt; sie war nicht für die Entscheidungen und Beratungen dieser Welt bestimmt. Was würde aus Britannien werden, wenn sie starb, ehe Morgaine die ganze Fülle ihrer Macht in Händen hielt?
    Der Himmel über ihr war noch dunkel, obwohl sich die Nebel im Osten langsam lichteten. Sie beobachtete die zunehmende Helligkeit; langsam formten sich rote Wolken zur Gestalt eines gewundenen Drachens, der sich über den ganzen Horizont ringelte. Dann schoß eine große Sternschnuppe über den Himmel und ließ den roten Drachen verblassen. Ihr Leuchten blendete Viviane, und als sie wieder sehen konnte, war der rote Drachen verschwunden; nur die dahinziehenden Wolken leuchteten weiß in der aufgehenden Sonne.
    Ein schmerzhaftes Zittern rann über Vivianes Rücken. Ein so unheilvolles Zeichen sah man nicht zweimal in seinem Leben; ganz Britannien mußte erbeben.
So scheidet Uther. Ein Lebewohl dem Drachen, der seine Flügel über unsere Küsten gebreitet hat. Jetzt werden die Sachsen über unser Land herfallen.
    Sie seufzte, und ohne Vorwarnung kräuselte sich die Luft vor ihr. Ein Mann stand im Garten. Viviane begann zu zittern – nicht aus Furcht vor einem Eindringling; sie fürchtete keinen Sterblichen, aber sie hatte schon lange keine Erscheinung dieser Art mehr gehabt. Das Gesicht drängte sich ihr ungerufen auf, und dahinter mußte eine große Macht stehen.
    Eine Macht wie die Sternschnuppe; ein Zeichen, wie es zu meinen Lebzeiten noch niemand gesehen hat…
Im ersten Augenblick erkannte sie den Mann nicht. Die Krankheit hatte seine blonden Haare grau werden lassen; die breiten Schultern waren gekrümmt, und er hielt den Rücken gebeugt. Seine Haut war gelb, und aus den tiefliegenden Augen sprach Pein. Aber selbst so wirkte Uther Pendragon größer als die meisten Männer. In dem ummauerten Garten herrschte fast völlige Stille. Nur die Vögel zwitscherten, und Viviane sah durch Uthers Körper die blühenden Apfelbäume. Wie immer sprach er hart und ohne Wärme mit ihr.
    So sehen wir uns also zum letzten Mal, Viviane! Zwischen uns besteht ein Band; doch keines meiner Wahl. Gut waren wir uns nie, Schwägerin. Aber ich traue deinem Weitblick, denn was du vorausgesagt hast, ist immer eingetroffen. Und du bist die einzige, die dafür sorgen kann, daß der nächste Großkönig von Britannien bekommt, was ihm rechtmäßig zusteht.
    Jetzt sah sie eine große Wunde, die über seine ganze Brust lief. Wie konnte es geschehen, daß Uther Pendragon, der krank in Caerleon lag, an einer Wunde und nicht an Siechtum starb?
    Ich bin gestorben, wie ein Krieger sterben soll. Die Bündnistruppen haben ihren Schwur gebrochen, und meine Krieger konnten sie nicht überwältigen, bis ich mich auf das Schlachtfeld tragen ließ, um mich zu zeigen; dann faßten sie Mut. Aesc, der Häuptling der Sachsen – ich werde diesem Wilden die Bezeichnung König nicht zubilligen – durchbrach unsere Reihen, machte drei meiner Wachen nieder, und ich tötete ihn, bevor seine Leibwache mich tötete. Der Sieg war unser. Die nächste Schlacht muß Artus schlagen, wenn er den Thron besteigt.
    Viviane hörte sich laut in die Stille sagen: »Artus ist König durch die alte, edle Linie von Avalon. Er braucht das Blut des Pendragon nicht, um seinen rechtmäßigen Platz als Großkönig einzunehmen.« Aber was bei dem Uther der diesseitigen Welt einen Zornesausbruch zur Folge gehabt hätte, rief jetzt nur ein trockenes Lächeln hervor, und sie schien seine Stimme zum letzten Mal zu hören.
    Ich bezweifle nicht, daß es mehr als Eurer Zauberkunst bedarf, Schwägerin, um die Könige von Britannien hiervon zu überzeugen. Ihr mögt das Blut des Pendragon geringschätzen. Aber darauf muß der Merlin sich berufen, wenn er Artus auf meinen Thron setzen will.
    Die Gestalt von Uther Pendragon verblaßte vor ihren Augen. Und vor ihr stand ein anderer Mann, den Viviane nur in Träumen gesehen hatte. Und plötzlich wußte sie, warum kein Mann für sie je mehr als eine Pflicht gewesen war, ein Mittel zur Macht oder das Vergnügen einer Nacht. Sie stand einen Augenblick lang

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