Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
welchen Blicken Morgaine bei Artus' Krönung Lancelot angesehen hatte. War es Lancelots Kind? Das würde auch erklären, weshalb Viviane Morgaine so sehr zürnte, daß sie aus Avalon geflohen war… In all den Monaten hatte Morgaine den Grund ihres Weggehens von der Insel nicht genannt. Viviane liebte Morgaine zu sehr, als daß sie zugelassen hätte, daß sie das Kind eines beliebigen Mannes trug…
Aber wenn Morgaine sich gegen ihre selbstgewählte Bestimmung aufgelehnt und sich Lancelot zum Liebhaber genommen oder ihn in den Beltane-Hain gelockt hatte, dann war dies eine Erklärung dafür, warum Vivianes erwählte Priesterin, ihre Nachfolgerin als Herrin vom See, aus Avalon hatte fliehen müssen.
Doch Morgaine antwortete nur: »Ich habe sein Gesicht nicht gesehen; er kam als der Gehörnte zu mir.« Morgause wußte bestimmt, daß die Jüngere log. Aber warum?«
Die Stunden schleppten sich dahin. Einmal ging Morgause in die Große Halle, wo Lots Männer sich beim Würfelspiel die Zeit vertrieben.
Lot saß dabei und sah ihnen zu. Eine der jüngeren Hofdamen saß auf seinem Schoß, und Lots Hand spielte an ihrer Brust. Die Frau blickte erschrocken auf, als Morgause eintrat, und wollte schnell aufstehen. Aber Morgause sagte achselzuckend: »Bleib, wo du bist. Wir brauchen dich nicht bei den Ammen. Zumindest heute nacht muß ich bei meiner Nichte bleiben, also habe ich keine Zeit, dir den Platz in seinem Bette streitig zu machen. Morgen sieht es vielleicht schon anders aus.« Errötend senkte die junge Frau den Kopf.
Lot erkundigte sich: »Wie geht es Morgaine, meine Liebe?«
»Nicht sehr gut«, antwortete Morgause. »Bei mir war es nie so schwer.« Dann schrie sie wütend: »Hast du meiner Nichte gewünscht, daß sie sich nicht mehr vom Kindbett erhebt?«
Lot schüttelte den Kopf. »Ihr besitzt in diesem Reich die Zauber und die Magie, Herrin. Ich wünsche Morgaine weiß Gott nichts Schlechtes. Es wäre der traurige Verlust einer hübschen Frau… und Morgaine hat trotz der scharfen Zunge ihre Reize. Und daß sie aus deiner Familie kommt, meine Liebe, macht den Braten nur noch saftiger…«
Morgause lächelte ihrem Mann liebevoll zu. Er mochte sich noch so hübsches Spielzeug für sein Lager suchen – und die Kleine auf seinem Schoß war nichts anderes –, Morgause wußte, daß Lot mit ihr sehr zufrieden war.
»Wo ist Morgaine, Mutter?« fragte Gareth. »Sie hat versprochen, mir heute noch einen Ritter zu schnitzen.«
»Sie ist krank, mein Söhnchen.« Morgause holte tief Luft; die Angst legte sich wieder auf sie.
»Es geht ihr bald wieder gut«, erklärte Lot, »und dann bekommst du einen kleinen Vetter, Gareth, mit dem du spielen kannst. Er wird dein Ziehbruder und dein Freund sein… Bei uns sagt man, daß Blutsbande drei Generationen lang halten, aber die Bande zwischen Ziehgeschwistern sieben. Und da Morgaines Sohn beides für dich ist, wirst du ihn auch mehr lieben als deine eigenen Brüder.«
»Ich freu mich darauf, einen Freund zu haben«, sagte Gareth. »Agravain ärgert mich immer und stichelt, ich sei ein dummer Kerl und schon zu alt, um noch mit hölzernen Rittern zu spielen.«
»Morgaines Sohn wird erst dein Freund sein, wenn er etwas gewachsen ist«, sagte Morgause. »Anfangs ist er noch wie ein Hündchen mit geschlossenen Augen. Aber in ein oder zwei Jahren ist er alt genug, dann kannst du mit ihm spielen. Die Göttin erhört die Gebete kleiner Kinder, mein Sohn. Also bete zur Göttin, daß sie dich erhört und Morgaine einen kräftigen und gesunden Jungen schenkt und ihr nicht die Todesbotin schickt…« Plötzlich mußte sie weinen.
Staunend sah Gareth die Tränen seiner Mutter, und Lot fragte: »Steht es so schlimm, meine Liebe?«
Morgause nickte. Sie wollte das Kind nicht erschrecken und wischte sich die Tränen ab.
Gareth blickte nach oben und sagte flehend: »Bitte, liebe Göttin. Bring meiner Tante Morgaine einen kräftigen Sohn, damit wir zusammen groß werden und Ritter sein können.«
Morgause mußte nun unwillkürlich lachen und streichelte ihm die Pausbacken: »Ich bin ganz sicher, daß die Göttin dein Gebet erhört. Aber jetzt muß ich zurück zu Morgaine.«
Als sie die Halle verließ, spürte Morgaine Lots Blicke in ihrem Rücken. Sie dachte wieder an seine Worte… es wäre vielleicht für sie alle das beste, wenn Morgaines Sohn nicht am Leben blieb.
Ich will zufrieden sein, wenn Morgaine es lebend übersteht,
dachte sie und bedauerte es zum ersten Mal, daß sie so
Weitere Kostenlose Bücher