Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
werden. Frisches Stroh war aufgeschüttet. Bei diesem Anblick lief es Morgause kalt über den Rücken, denn als glückliche Mutter hatte sie immer schnell vergessen, welche Qual Gebären bedeutete. Morgaine trug jetzt ein loses Gewand, und das Haar fiel ihr auf die Schultern. Auf Megans Arm gestützt, ging sie in der Halle auf und ab. In der Luft lag eine Erregung wie bei einem Fest – und für die anderen Frauen war es das auch. Morgause trat zu ihrer Nichte und ergriff ihren Arm.
»Wir gehen jetzt ein wenig zusammen. Megan kann die Tücher für das Kind vorbereiten«, sagte sie. Morgaine sah sie an. Die Augen der jungen Frau erinnerten Morgause an ein Tier in der Falle, das darauf wartet, daß ihm der Jäger die Kehle durchschneidet. »Wird es lange dauern, Tante?«
»Na, na, du darfst jetzt nicht an die Zukunft denken«, erwiderte Morgause zärtlich. »Wenn du unbedingt denken mußt, dann denke daran, daß du beinahe schon den ganzen Tag in den Wehen bist. Das meiste liegt jedoch hinter dir.« Zu sich sagte sie aber:
Morgaine wird es nicht leicht haben. Sie ist so klein und findet sich nur widerstrebend mit der Geburt ab. Sicherlich liegt eine lange schwere Nacht vor ihr…
Dann fiel ihr ein, daß Morgaine das Gesicht besaß; man konnte sie nicht belügen. Morgause tätschelte ihr die blassen Wangen: »Was auch geschieht, mein Kind, wir werden gut für dich sorgen. Beim ersten Mal dauert es immer lange… sie wollen das warme Nest nicht verlassen… Aber wir tun, was wir können. Hat jemand eine Katze hereingeholt?«
»Eine Katze? Ja, hier ist eine. Aber warum, Tante?« erkundigte sich Morgaine.
»Mein Kind, wenn du einmal gesehen hast, wie eine Katze ihre Jungen bekommt, dann weißt du, daß sie dabei schnurrt und nicht vor Schmerzen schreit. Vielleicht hilft ihr Wohlbehagen bei der Geburt auch dir, weniger Schmerzen zu empfinden«, erklärte Morgause und streichelte das weiche Fell des Tieres. »Es ist ein Geburtszauber, den ihr in Avalon nicht kennt. Ja, setz dich jetzt für eine Weile. Dann ruhst du dich mit der Katze auf dem Schoß aus.« Sie sah zu, wie Morgaine das Tier streichelte, aber bald krümmte sie sich wieder in heftigen Krämpfen. Morgause drängte sie, wieder aufzustehen und hin und her zu gehen. »Solange du es ertragen kannst… es geht dann schneller«, sagte sie.
»Ich bin so müde, so müde…«, stöhnte Morgaine leise.
Du wirst noch müder sein, ehe es vorüber ist,
dachte Morgause und legte den Arm um die junge Frau. »Komm, stütze dich auf mich, mein Kind…«
»Du bist wie meine Mutter…«, sagte Morgaine und klammerte sich an Morgause. Sie verzog das Gesicht, als wolle sie weinen. »Wenn doch Igraine hier wäre…« Dann biß sie sich auf die Lippen, als bedaure sie den Augenblick der Schwäche, und begann langsam in dem Raum voller Frauen auf und ab zu gehen. Die Stunden schlichen dahin. Einige Frauen schliefen ein, aber es blieben genug, um Morgaine beim Gehen zu stützen. Je mehr Zeit verging, desto ängstlicher und blasser wurde sie. Die Sonne ging auf, und noch immer rieten die Hebammen Morgaine nicht, sich auf das Stroh zu legen, obwohl sie vor Erschöpfung stolperte und kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte. In einem Augenblick erklärte sie, es sei kalt und hüllte sich in ihren warmen Pelzumhang, dann wieder warf sie ihn von sich und sagte, sie glühe vor Hitze. Immer wieder würgte sie und mußte sich übergeben; schließlich kam nur noch grüne Galle. Aber der Brechreiz wollte nicht nachlassen, obwohl die Frauen ihr heiße Kräutertränke einflößten, die Morgaine durstig schluckte, aber nur, um sich bald wieder zu übergeben.
Morgause beobachtete sie genau, und ihre Gedanken kreisten um Lots Worte. Sie überlegte, ob das, was sie tat oder nicht tat, einen Unterschied machte… Es konnte sehr wohl geschehen, daß Morgaine die Geburt nicht überlebte.
Schließlich vermochte Morgaine nicht mehr zu gehen, und die Frauen erlaubten ihr, sich hinzulegen. Sie rang vor Schmerzen nach Luft und biß sich auf die Lippen; Morgause kniete neben ihr und hielt ihre Hand, während die Stunden verstrichen. Mittag war schon lange vorüber, als Morgause leise fragte: »War er… der Vater des Kindes … sehr viel größer als du? Manchmal, wenn es lange dauert, bis ein Kind kommt, bedeutet es, daß es dem Vater nachschlägt und zu groß für die Mutter ist.«
Sie überlegte, wie schon öfter, wer wohl der Vater des Kindes sein mochte. Ihr war nicht entgangen, mit
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