Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Lancelot der Vater war.
Zwar hatte Morgause vier Söhne geboren, aber Morgaine war das kleine Mädchen, das sie wie eine Puppe geliebt und umsorgt hatte. Sie hatte sie auf den Armen getragen, sie gewaschen, ihre Haare gebürstet und ihr Geschenke gemacht. Konnte sie Morgaines Kind so etwas antun? Wer konnte behaupten, daß Artus nicht viele Söhne von seiner zukünftigen Königin haben würde? Aber Lancelots Sohn… ja, Lancelots Sohn konnte sie ohne Gewissensbisse dem Tod überantworten. Lancelot stand Artus nicht näher als Gawain. Aber Artus zog ihn dem anderen vor, wandte sich in allen Dingen an ihn. Sie, Morgause, stand immer unbeachtet in Vivianes Schatten und war als Großkönigin nicht in Betracht gezogen worden – sie hatte Viviane nie vergeben, daß sie Igraine für Uther bestimmte –, immer stand sie im Schatten, und so würde der treue Gawain immer im Schatten Lancelots stehen, dem alle Herzen zuflogen. Wenn Lancelot mit Morgaine gespielt oder sie entehrt hatte, war dies nur ein Grund mehr, ihn zu hassen.
Eigentlich bestand kein Grund, daß Morgaine Lancelots Bastard insgeheim und unter all diesen Leiden zur Welt bringen mußte. War Morgaine vielleicht Viviane für ihren teuren Sohn nicht gut genug? Morgause hatte in den vergangenen Monaten immer wieder beobachtet, wie Morgaine heimlich weinte. Verzehrte sie sich vor Liebe und Verlassenheit?
Viviane spielt mit dem Leben der Menschen wie mit Würfeln! Sie trieb Igraine in Uthers Arme, ohne auch nur im geringsten an Gorlois zu denken. Sie verlangte Morgaine für Avalon. Wird sie nun auch Morgaines Leben zerstören?
Könnte sie doch nur sicher sein, daß es Lancelots Kind war! Als Morgaine in den Wehen lag, hatte Morgause bedauert, nicht genug von Magie zu verstehen, um ihr die Geburt zu erleichtern. Jetzt bedauerte sie ihre fehlende Kenntnis um so mehr. In Avalon hatte sie weder das Interesse noch die Geduld aufgebracht, um das Wissen der Druiden zu erlernen. Aber als Vivianes Pflegekind erfuhr sie einiges von den Priesterinnen, die sie verhätschelten und verwöhnten.
Gutmütig und ohne sich viel dabei zu denken, brachten die Frauen ihr einfache Bannsprüche und Zauber bei. Nun, jetzt waren sie anzuwenden! Sie schloß die Türen der Kammer und entzündete ein neues Feuer; schnitt dann drei der dunklen Haare vom Kopf des Kindes ab,
beugte sich über die schlafende Morgaine und tat das gleiche bei ihr. Mit ihrer Haarnadel stach sie in den Finger des Kindes und wiegte es dann, um sein Weinen zu besänftigen. Dann warf sie ein paar Kräuter zusammen mit den Haaren und dem Blut ins Feuer, flüsterte das Wort, das sie gelernt hatte, und starrte in die Flammen.
Atemlos sah Morgause, wie das Feuer aufloderte, erstarb und ein Gesicht sie anblickte – ein junges Gesicht mit blonden Haaren, gekrönt mit einem Hirschgeweih, das Schatten auf die blauen Augen warf… Augen, wie Uther sie gehabt hatte… Morgaine hatte nicht gelogen, als sie sagte, er sei als der Gehörnte Gott zu ihr gekommen, aber trotzdem hatte sie nicht die Wahrheit gesagt… Morgause hätte es wissen müssen. Also hatte man Artus vor der Krönung verpflichtet, die Große Ehe zu schließen. Steckte Viviane auch dahinter? Wollte sie ein Kind, dessen Vater und Mutter königlichen Linien entstammten?
Hinter sich hörte sie ein leises Geräusch. Sie blickte auf und sah, daß Morgaine sich mühsam aufgerichtet hatte. Bleich wie der Tod klammerte sie sich an den Bettpfosten.
Ihre Lippen bewegten sich kaum. Nur ihre dunklen Augen glitten vom Feuer zu den Zauberkräutern auf dem Boden. »Morgause«, sagte sie tonlos, und ihre tiefliegenden Augen waren schmerzerfüllt, »schwöre… wenn du mich liebst, schwöre mir… daß du weder mit Lot noch mit einem anderen Menschen darüber sprichst! Schwöre es, oder ich werde dich mit allen Flüchen belegen, derer ich kundig bin!«
Morgause legte das Kind in die Wiege zurück, nahm Morgaine beim Arm und half ihr, sich wieder ins Bett zu legen. »Leg dich hin, ruh dich aus, Kleines… wir müssen darüber sprechen. Artus! Warum? War es Vivianes Plan?«
Morgaine wiederholte noch erregter: »Schwöre, daß du nichts sagst! Schwöre, nie mehr darüber zu sprechen! Schwöre! Schwöre!« Ihre Augen funkelten. Morgause sah sie an und fürchtete, Morgaines Erregung würde sich zu einem Fieber steigern.
»Morgaine, mein Kind…«
»Schwöre, oder ich verfluche dich bei Wind und Feuer, Meer und Stein…«
»Nein«, unterbrach sie Morgause und nahm ihre Hand,
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