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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Morgaine mit ihrem kleinen Bruder im Arm… ihre beiden schlafenden Kinder, der dunkle und der blonde Schopf nebeneinander auf dem Kissen. Sie dachte daran, wie oft sie Morgaine vernachlässigt hatte, nachdem sie ihrem geliebten Uther den Sohn und Erben seines Reichs geboren hatte. Morgaine war an Uthers Hof nicht glücklich gewesen und hatte Uther nicht geliebt. Deshalb hatte sie Vivianes Bitte erfüllt und ihr das Kind mit nach Avalon gegeben.
    Erst jetzt überkamen sie Schuldgefühle. Hatte sie ihre Tochter nicht zu bereitwillig weggeschickt, um sich Uther und
seinen
Kindern widmen zu können? Unfreiwillig mußte sie an ein altes Wort aus Avalon denken:
Die Göttin überschüttet niemanden mit ihren Gaben, der sie zurückweist…
Sie hatte ihre Kinder weggegeben – ihren Sohn zu Pflegeeltern und ihre Tochter nach Avalon – und damit vielleicht selbst ihre Kinderlosigkeit heraufbeschworen. Wollte die Göttin ihr kein anderes mehr schenken, nachdem sie die beiden Kinder so bereitwillig hatte ziehen lassen? Mehr als einmal hatte sie darüber mit ihrem Beichtvater gesprochen, der ihr immer wieder versicherte, es sei richtig gewesen, Artus wegzuschicken. Jeder Junge müsse früher oder später seine Eltern verlassen. Aber Morgaine hätte sie nicht nach Avalon schicken dürfen, sagte er. Wenn das Kind an Uthers Hof nicht glücklich war, wäre es in einer Klosterschule besser aufgehoben gewesen.
    Nachdem Igraine wußte, daß Morgaine nicht in Avalon war, dachte sie daran, einen Boten an Lots Hof zu schicken, um herauszufinden, ob sie sich etwa dort aufhielt. Aber dann brach der Winter herein. Und jeder Tag bedeutete einen neuen Kampf gegen die Kälte, gegen Frostbeulen und die tückische Feuchtigkeit, die alles durchdrang.
    Selbst die Nonnen mußten mitten im Winter hungern und teilten, was ihnen geblieben war, mit Bettlern und Bauern. In den harten Winterwochen glaubte Igraine einmal, Morgaine zu hören, die aus tiefster Not nach ihr rief: »Mutter! Mutter!«
Morgaine allein und verzweifelt – starb Morgaine? Wo, o Gott, wo?
Ihre Finger umklammerten das Kreuz, welches sie wie alle Schwestern am Gürtel trug.
Herr Jesus, bewahre und schütze Morgaine! Heilige Mutter Maria, selbst wenn sie eine Sünderin und eine Zauberin ist… erbarme dich ihrer, Jesus, wie du dich der Maria Magdalena erbarmt hast, die Schlimmeres getan hat…
    Erschrocken stellte sie fest, daß eine Träne auf die Stickerei gefallen war. Das konnte einen Fleck geben. Sie wischte sich die Augen mit ihrem Schleier und hielt die Stickerei weiter von sich; nun mußte sie die Augen zusammenkneifen, um besser zu sehen – ach, sie wurde alt. Manchmal verschwamm ihr alles vor den Augen – oder waren die Tränen daran schuld?
    Entschlossen beugte sie sich über ihre Arbeit. Aber wieder schien sie Morgaines Gesicht zu sehen und diesen verzweifelten Aufschrei zu hören, als würde Morgaine das Herz aus dem Leib gerissen. So hatte sie bei Morgaines Geburt selbst geschrien und nach der Mutter gerufen, an die sie sich kaum erinnern konnte… riefen alle Frauen im Kindbett nach ihren Müttern? Entsetzen packte sie… Morgaine bekam in diesem entsetzlichen Winter ein Kind… irgendwo… Morgause hatte sie bei Artus' Krönung geneckt und gesagt, sie sei beim Essen so eigen wie eine schwangere Frau. Gegen ihren Willen zählte Igraine an ihren Fingern nach… ja, wenn Morgause recht hatte, mußte Morgaine ihr Kind mitten im schlimmsten Winter bekommen haben. Selbst jetzt im milden Frühling schien sie diesen Aufschrei wieder zu hören. Es drängte sie, ihre Tochter zu suchen… aber wo… wo?
    Igraine hörte Schritte hinter sich, ein Räuspern, und eines der Mädchen, die im Konvent erzogen wurden, sagte: »Herrin, im Besucherzimmer sind Gäste für Euch… einer der Männer ist der Erzbischof!«
    Igraine legte die Stickerei beiseite. Es hatte keinen Fleck gegeben.
    Nichts bleibt übrig von all den Tränen, die die Frauen auf dieser Welt weinen,
dachte sie bitter.
    »Weshalb um alles in der Welt wünscht der Erzbischof mich zu sehen?«
    »Das hat er mir nicht gesagt, Herrin, und ich glaube, der Schwester Oberin auch nicht«, erwiderte das Mädchen, nur zu bereit, einen Augenblick lang noch zu plaudern. »Aber habt Ihr bei der Krönung des Großkönigs nicht der dortigen Kirche Geschenke übergeben lassen?«
    Das hatte Igraine getan. Aber sie glaubte nicht, der Erzbischof sei gekommen, um über vergangene Wohltaten zu reden. Vielleicht wollte er mehr. Für sich

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