Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
forderten die Kirchenmänner zwar selten etwas, aber alle Priester, besonders die der reichen Gemeinden, waren geradezu gierig nach Silber und Gold für ihre Altäre.
»Wer sind die anderen?« fragte sie, denn sie wußte, daß das Mädchen gerne reden wollte.
»Ich weiß es nicht, Herrin. Aber ich weiß, daß die Äbtissin einen nicht einlassen wollte, weil…«, und ihre Augen wurden groß, »… weil er ein Zauberer und Hexenmeister ist, wie sie sagt… und ein Druide!«
Igraine erhob sich. »Es ist der Merlin von Britannien, Kind. Er ist mein Vater und kein Zauberer, sondern ein Gelehrter, der das Wissen der Weisen erworben hat. Selbst die Kirchenväter sagen, daß die Druiden gute und edle Männer sind. Sie beten gemeinsam mit ihnen zu Gott. Denn die Druiden sehen Gott in allen Dingen, und für sie ist Christus einer der vielen Künder Gottes.«
Das Mädchen machte einen kleinen Knicks zum Dank für die Belehrung. Igraine räumte ihr Stickzeug auf und glättete den Schleier. Sie trat in das Besucherzimmer und sah nicht nur den Merlin und einen Fremden, der streng wirkte und die dunkle Tracht der Kirchenmänner trug, durch die sie sich in letzter Zeit von allen anderen unterschieden, sondern einen dritten Mann, den sie beinahe nicht erkannt hätte. Als er sich umdrehte, glaubte sie in Uthers Gesicht zu blicken.
»Gwydion!« rief sie und verbesserte sich schnell: »Artus! Vergebt mir, ich vergaß…« Sie wollte vor dem König niederknien, aber er griff schnell nach ihrer Hand und hinderte sie daran. »Mutter, kniet niemals vor mir. Ich verbiete es Euch!« Igraine verneigte sich vor dem Merlin und dem mürrischen und gestrengen Erzbischof.
»Meine Mutter, Uthers Königin«, sagte Artus. Der Erzbischof bewegte die Lippen – Igraine dachte:
Das soll wohl ein Lächeln sein –,
und Artus fuhr fort: »Aber sie hat höhere Ehren erlangt als die Königswürde. Sie ist jetzt eine Braut Christi.«
Wohl kaum eine Braut,
dachte Igraine,
ganz schlicht und einfach eine Witwe, die sich in dieses Haus geflüchtet hat.
Aber sie neigte nur schweigend den Kopf.
Artus sagte: »Mutter, das ist Patricius, Erzbischof von der Insel der Priester, Glastonbury, wie man sie jetzt nennt. Er weilt noch nicht lange bei uns.«
»Ja, nach Gottes Willen«, begann der Erzbischof, »habe ich alle bösen Zauberer aus Irland vertrieben. Und ich bin gekommen, sie aus allen Christenländern zu verjagen. In Glastonbury traf ich auf eine verderbte Priesterschaft, die Gott sogar gemeinsam mit den Druiden verehrte. Unser Herr Jesus, der für uns gestorben ist, hätte blutige Tränen darüber geweint.«
Taliesin fragte sehr freundlich: »Wollt Ihr härter sein als Christus, Bruder? Denn ich glaube mich zu erinnern, daß er sehr dafür getadelt wurde, sich in die Gesellschaft von Zöllnern, Sündern, sogar Steuereintreibern und Frauen wie Magdalena zu begeben. Man hätte es lieber gesehen, wenn er wie Johannes der Täufer ein Einsiedler gewesen wäre. Und als er schließlich sterbend am Kreuz hing, versprach er dem Dieb, daß er noch in derselben Nacht bei ihm im Paradies sein würde… nein?«
»Ich glaube, zu viele Menschen maßen sich an, die Heilige Schrift lesen und verstehen zu können und verfallen dabei in solche Fehler«, erwiderte Patricius kalt. »Ich sage, wer sich auf seine Gelehrsamkeit etwas zugute hält, wird lernen müssen, die richtige Auslegung der Schrift der Kirche zu überlassen.«
Der Merlin lächelte freundlich. »Ich kann mich Eurem Wunsch nicht anschließen, Bruder. Nach meiner heiligen Überzeugung ist es Gottes Wille, daß alle Menschen in sich die Weisheit suchen und nicht bei anderen. Kleinen Kindern muß die Amme vielleicht die Speisen vorkauen, aber erwachsene Menschen können die Weisheit selbst trinken und essen.«
»Aber, aber!« meinte Artus lächelnd, »zwischen meinen beiden engsten Ratgebern darf es nicht zu Wortgefechten kommen. Die Weisheit des Ehrwürdigen Merlin ist unentbehrlich. Er hat mich auf den Thron gesetzt.«
»Gott hat Euch dorthin gesetzt, mein König«, entgegnete der Erzbischof.
»Mit Hilfe des Merlin«, sprach Artus unbeirrt weiter. »Ich habe ihm gelobt, immer auf seinen Rat zu hören. Möchtet Ihr, daß ich eidbrüchig werde, Vater Patricius?« Mit freundlichem Lächeln wendete er sich Igraine zu. »Setzt Euch, Mutter. Wir wollen miteinander sprechen.«
»Ich will zuerst Wein bringen lassen, damit Ihr Euch nach dem langen Ritt erfrischen könnt.«
»Danke, Mutter. Vielleicht laßt
Weitere Kostenlose Bücher