Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
gehen«, sagte Balan lachend. »Wie alle Männer ist Artus vor der Hochzeit völlig durcheinander. Auf dem Schlachtfeld mag unser Herr vielleicht wie der Pendragon selbst kämpfen, aber heute morgen, ehe er mit seiner Braut zusammentrifft, scheint er wieder wie ein kleiner Junge zu sein.«
Armer Artus,
dachte Gwenhwyfar.
Diese Hochzeit ist für ihn eine größere Prüfung als für mich… Ich brauche wenigstens nicht mehr zu tun, als mich dem Willen meines Vaters und des Königs zu beugen. Armer Artus, er müßte mich nehmen, weil es das Wohl seines Reiches verlangt, selbst wenn ich wirklich alt, häßlich oder pockennarbig wäre. Ich bin nur eine seiner schweren Pflichten, zu denen es auch gehört, seine Männer in die Schlacht gegen die Sachsen zu führen. Aber von den Sachsen weiß er wenigstens, was er zu erwarten hat.
Freundlich fragte sie Lancelot: »Mein edler Ritter, wäret Ihr lieber an der Seite meines Gebieters?«
Seine Augen antworteten deutlich, daß er sie nicht verlassen wollte. In den wenigen Tagen hatte sie gelernt, diese unausgesprochenen Botschaften zu verstehen. Niemals hatte sie mit Lancelot auch nur ein Wort gewechselt, das nicht in Anwesenheit von Igraine, ihrem Vater und allen Bischöfen von Britannien hätte ausgesprochen werden dürfen. Aber zum ersten Mal schienen widersprüchliche Gefühle ihn zu bedrängen.
»Ich wünsche nichts weniger, als Euch zu verlassen, Herrin. Aber Artus ist mein Freund und mein Vetter…«
»Gott behüte, daß ich je zwischen Euch und Eurem Vetter stehen sollte«, sagte Gwenhwyfar und hielt ihm die zierliche Hand zum Kuß hin. »Durch diese Ehe werdet Ihr auch mein treuer Gefolgsmann und Vetter. Geht zu meinem Gebieter, dem König, und sagt ihm…«
Erstaunt über ihre Kühnheit zögerte sie; waren solche Worte schicklich? Gott helfe ihnen allen. Innerhalb einer Stunde würde sie Artus' Gemahlin sein. Was machte es da schon, wenn es zu kühn klang, daß sie ein paar besorgte Worte über Artus sagte? »Sagt ihm, ich gebe ihm frohen Herzens seinen treuesten Ritter zurück und erwarte ihn in Liebe und Gehorsam.«
Lancelot lächelte, und dieses Lächeln schien tief in ihrem Innern eine Saite zum Klingen zu bringen. Sie spürte, wie ihr Mund sich ebenfalls bewegte. Wie konnte es geschehen, daß sie sich so sehr als Teil von ihm empfand? Ihr ganzes Leben schien in die Berührung seiner Lippen auf ihren Fingern geströmt zu sein. Gwenhwyfar schluckte, und plötzlich wußte sie, was sie empfand: Trotz der pflichtbewußten Botschaft von Liebe und Gehorsam an Artus würde sie mit Freuden ihre Seele hingeben, wenn sich dafür das Rad der Zeit zurückdrehen ließe und sie ihrem Vater sagen könnte, sie würde keinen anderen Mann als Lancelot heiraten. Das Gefühl war plötzlich so wirklich wie die Sonne am Himmel, das Gras unter ihren Füßen, so wirklich… sie schluckte wieder… so wirklich wie Artus, der gerade für die Hochzeit angekleidet wurde. Und für diese Vermählung mußte sie jetzt die heilige Messe besuchen und sich vorbereiten.
Es ist einer der grausamen Scherze Gottes, daß ich nicht wußte, was ich empfand, bis es zu spät war. Oder ist es eine teuflische Machenschaft des Bösen, um mich zu verleiten, meine Pflicht gegenüber meinem Vater und meinem Gemahl zu vernachlässigen?
Lancelots Antwort hörte sie nicht; Gwenhwyfar wußte nur, daß er ihre Hand losgelassen, sich umgedreht hatte und davongegangen war. Sie vermerkte kaum die höflichen Worte der Ziehbrüder Balin und Balan – welcher von beiden war eigentlich der Sohn der Priesterin vom See? Balan… Lancelots Bruder… aber er war ihm so ähnlich wie der Rabe einem Adler. Ihr wurde bewußt, daß Igraine zu ihr sprach.
»Ich überlasse Euch den Rittern, meine Liebe. Vor der Messe möchte ich noch mit dem Merlin sprechen.«
Es dauerte einige Zeit, bis ihr klar wurde, daß Igraine auf ihre Erlaubnis zum Gehen wartete. Gwenhwyfars Rang als Königin hatte bereits Selbstverständlichkeit. Sie hörte kaum ihre Worte, die sie an Igraine richtete, und die ältere Frau zog sich zurück. Igraine hastete über den Hof, murmelte Entschuldigungen, weil sie mit Leuten zusammenstieß; sie wollte unbedingt Taliesin in der Menge finden. Alle trugen prächtige, farbenfrohe Festtagskleider, er aber kam in den üblichen schlichten, grauen Gewändern daher.
»Vater…«
»Igraine, mein Kind.« Taliesin blickte auf sie herab, und Igraine empfand es merkwürdigerweise als tröstlich, daß der alte Druide mit ihr
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