Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
»hat meine Gemahlin ihre Ausstattung und ihre Habe mitgebracht. Meine Herrin, ich heiße Euch in Eurem Haus willkommen. Wendet Euch in allem an Cai und gebt ihm Weisung, wo Ihr die Dinge untergebracht haben wollt. Erlaubt mir, daß ich Euch jetzt alleinlasse. Ich muß mich um die Männer, die Pferde und die Ausrüstung kümmern.«
Er verbeugte sich tief, und Gwenhwyfar sah die Erleichterung in seinem Gesicht. Sie fragte sich, ob sie ihn enttäuscht hatte, oder ob er sich wirklich nur für die Mitgift – Pferde und Männer – interessierte, wie sie insgeheim befürchtete. Sie war darauf vorbereitet gewesen, aber über ein freundliches Wort, das ihr persönlich galt, hätte sie sich doch gefreut. Sie bemerkte, daß der dunkle junge Mann mit der Narbe, den er Cai genannt hatte, auf ihre Weisungen wartete. Er wirkte freundlich und ehrerbietig – ihn mußte sie nicht fürchten.
Gwenhwyfar seufzte, streckte die Hand nach den starken Mauern aus, um sich Sicherheit zu geben und ihrer Stimme Kraft zu verleihen, damit sie wie eine Königin sprach: »Auf dem größten Wagen, edler Cai, ist eine irische Met-Tafel. Sie ist das Hochzeitsgeschenk meines Vaters für meinen König Artus. Es ist ein Beutestück. Sie ist sehr alt und von höchstem Wert. Sorgt dafür, daß sie in Artus' größter Halle ihren Platz bekommt. Aber zuvor bitte ich Euch, die Herrin Igraine in ihr Gemach zu geleiten und jemanden zu schicken, der ihr heute abend aufwartet.« Insgeheim stellte sie überrascht fest, daß sie wirklich wie eine Königin sprach. Und Cai zögerte auch keinen Augenblick, sie als Gebieterin anzuerkennen. Tief verneigte er sich und sagte: »Es soll alles sogleich geschehen, meine Herrin und Königin.«
5
Die ganze Nacht über kamen ständig neue Gruppen von Reisenden und versammelten sich vor der Burg. Der Morgen dämmerte bereits, als Gwenhwyfar aus dem Fenster blickte. So weit man sehen konnte, tummelten sich zwischen den Zelten auf dem ganzen Hügel zahllose Männer, Frauen und Pferde.
»Es sieht wie bei einem Fest aus«, sagte sie zu Igraine, die in der letzten Nacht ihrer Mädchenzeit das Bett mit ihr geteilt hatte. Die ältere Frau lächelte.
»Wenn der Großkönig sich eine Frau nimmt, ist das für die Insel das größte aller Feste. Seht nur, dort sind die Männer des Lot von Orkney.« Sie dachte:
Vielleicht ist Morgaine mit ihnen gekommen.
Als junge Frau hatte sie jeden Gedanken ausgesprochen, der ihr in den Sinn kam, aber diese Zeiten waren lange vorbei… Es ist doch merkwürdig, dachte Igraine, in all den Jahren, in denen eine Frau Kinder bekommt, sagt man ihr, sie müsse in erster Linie an ihre Söhne denken. Wenn man an Töchter überhaupt einen Gedanken verschwendet, dann nur den, daß man sie in andere Hände gibt, sobald sie erwachsen sind. Man zieht sie für eine andere Familie groß. Stand Morgaine ihrem Herzen nur deshalb am nächsten, weil sie ihr erstes Kind war? Artus kehrte nach langem Leben in der Fremde zu ihr zurück. Aber wie alle Männer war er ihrer so entwachsen, daß es keine Möglichkeit mehr gab, die Entfernung zu überbrücken. Aber bei Artus' Krönung hatte sie entdeckt, daß sie an Morgaine mit ihrer Seele gebunden war; und dieses Band konnte nie zerreißen. Lag es nur daran, daß auch Morgaine das Erbe von Avalon in sich trug? Sehnte sich deshalb jede Priesterin nach einer Tochter, die in ihre Fußstapfen treten und ihr nie verlorengehen würde?
»Es sind so viele Menschen«, sagte Gwenhwyfar, »ich wußte nicht, daß in Britannien so viele Menschen leben.«
»Und Ihr werdet ihre Königin sein… es ist beängstigend, ich weiß. Als Uther mich heiratete, ging es mir nicht anders«, sagte Igraine. Sie dachte plötzlich:
Artus hat mit seiner Königin eine ungute Wahl getroffen. Gwenwyfar ist zwar schön, liebenswürdig und gebildet. Aber eine Königin muß auch in der Lage sein, den ersten Platz am Hofe einzunehmen.
Vielleicht war Gwenhwyfar zu scheu und in sich gekehrt? Anders gesagt: Die Königin war die Herrin des Königs, nicht nur Gastgeberin und Haushälterin – jeder Hofmarschall oder Haushofmeister konnte diese Pflichten übernehmen –, sondern wie die Priesterin von Avalon ein Symbol der Gesamtheit des Lebens. Die Königin erinnerte daran, daß das Leben nicht nur aus Kampf, Krieg und Herrschaft bestand. Ein König kämpfte für den Schutz der Schwachen: schwangere Frauen, kleine Kinder, alte Männer und Großmütter. Bei den Stämmen kämpften die starken Frauen an der Seite
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