Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
sprach, als zähle sie immer noch vierzehn Jahre. »Ich dachte, du würdest unsere Braut in die Kirche geleiten. Wie schön sie ist! Artus hat einen wahren Schatz gefunden. Ich habe gehört, daß sie klug und gebildet ist… und fromm, worüber sich der Bischof sicher freuen wird…«
»Vater«, sagte Igraine bittend und senkte die Stimme, damit niemand sie hören konnte. »Ich muß Euch eine Frage stellen… gibt es für Artus einen ehrenhaften Ausweg aus dieser Ehe?«
Taliesin sah sie fassungslos an. »Nein, ich glaube nicht. Alles ist vorbereitet, um sie nach der Messe zu verheiraten. Gott helfe uns. Sind wir alle getäuscht worden? Ist sie unfruchtbar, unkeusch, oder…« Der Merlin schüttelte verzweifelt den Kopf. »Selbst wenn sie den Aussatz hätte, oder von einem anderen Mann schwanger wäre, gäbe es keine Möglichkeit, dies alles hier aufzuhalten. Es gäbe ein schlimmes Aufsehen. Es wäre eine Beleidigung und würde Leodegranz für immer zu unserem Feind machen. Weshalb fragst du, Igraine?«
»Ich glaube an ihre Sittsamkeit. Aber ich habe beobachtet, wie sie Lancelot ansieht und welche Blicke er ihr zuwirft. Kann etwas Gutes daraus entstehen, wenn die Braut sich in einen anderen Mann verliebt, und dieser andere der beste Freund des Bräutigams ist?«
Der Merlin sah sie durchdringend an, und seine alten Augen waren klar wie immer. »Oh, steht es so? Ich habe immer gedacht, unser Lancelot sieht zu gut aus. Aber er ist ein Mann von Ehre. Vielleicht sind es bei ihm nur Flausen, Frühlingsregungen ohne Bestand. Wenn das Brautpaar erst verheiratet ist und sich das Lager teilt, werden sie es vergessen, oder wehmütig an etwas denken, was vielleicht hätte sein können.«
»In neun von zehn Fällen würde ich sagen, Ihr habt recht, Vater. Aber Ihr habt sie nicht erlebt, ich schon«, erklärte Igraine.
Der Merlin seufzte. »Igraine, Igraine. Ich will nicht behaupten, du irrst dich. Aber was können wir noch dagegen unternehmen? Leodegranz empfände es als solche Schande, daß er gegen Artus ins Feld ziehen würde. Und Artus hat bereits genug zu kämpfen… Oder hast du nichts von diesem König im Norden gehört, der Artus die Botschaft überbringen ließ, er habe sich die Bärte von elf Königen geholt, um sich einen Mantel daraus zu machen? Und wenn Artus ihm keinen Tribut zahle, so drohte er, würde er kommen und sich auch Artus' Barthaar holen.«
»Was hat der Großkönig geantwortet?«
Der Merlin sagte: »Oh, er ließ dem alten König antworten, sein Bart sei noch nicht lang und sicherlich noch keine Zierde. Aber wenn er unbedingt wolle, könne er kommen und versuchen, ihn sich zu holen. Nur müsse er sich erst den Weg durch Berge von Sachsenleichen bahnen. Artus schickte der Botschaft den Kopf eines Sachsen mit – er war gerade von einem Raubzug zurückgekommen – und ließ ausrichten,
dessen
Bart eigne sich besser für einen Mantel als der Bart eines Freundes, an dessen Seite er zu kämpfen habe. Und«, so fügte Taliesin hinzu, »er übersende seinem Nachbarkönig ein Geschenk. Er fordere von seinen Freunden keinen Tribut und entrichte auch keinen. Damit war die Sache erledigt. Aber du siehst, Artus kann sich keine Feinde leisten, und Leodegranz wäre ein übler Feind. Er heiratet das Mädchen besser, und ich glaube, ich würde ihm das auch raten, selbst wenn er sie mit Lancelot im Bett gefunden hätte… das ist nicht geschehen und wird wahrscheinlich auch nie geschehen.«
Igraine fiel auf, daß sie die Hände rang. »Was sollen wir nur tun?«
Der Merlin strich ihr sehr sanft über die Wange. »Wir werden tun, was wir immer getan haben, Igraine; was wir tun müssen, was uns die Götter befehlen. Wir tun unser Bestes. Auf diesem Weg kann keiner von uns an sein eigenes Glück denken. Du wurdest in Avalon erzogen, und du weißt es. Was wir auch tun, um unser Schicksal zu beeinflussen oder zu lenken, am Ende liegt alles in der Hand der Götter… oder wie der Bischof zweifellos lieber hören würde, in der Hand Gottes. Je älter ich werde, desto sicherer bin ich, daß es nicht auf die Worte ankommt, die wir wählen, um dieselben Wahrheiten auszudrücken.«
»Die Herrin wäre nicht erfreut, Eure Worte zu hören«, sagte plötzlich ein dunkler Mann mit einem schmalen Gesicht hinter ihnen. Er trug die Gewänder eines Priesters oder Druiden. Taliesin drehte den Kopf und lächelte.
»Trotzdem weiß Viviane so gut wie ich, daß es die Wahrheit ist… Igraine, ich glaube, Ihr kennt unseren neuen Barden
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