Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Ohr gegen seine Brust. Sie spürte, wie sie sich hob und senkte. Pellinores Tochter reichte ihr ein Becken mit kaltem Wasser, und sie betupfte seine Stirn mit dem feuchten Leinen.
»Jemand soll diese Gans fangen und ihr den Hals umdrehen… und dem Gänsejungen eine ordentliche Tracht Prügel überziehen. Der edle Lancelot hätte sich den Hals brechen, oder das Pferd des Königs hätte verunglücken können.«
Gawain rannte herbei und führte das Pferd in den Stall zurück. Das Unglück mit dem fast tragischen Ausgang dämpfte die allgemeine Feststimmung. Die Gäste verstreuten sich allmählich und kehrten in ihre Pavillons und Zelte zurück. Morgaine verband Lancelots Kopf und das gebrochene Handgelenk. Glücklicherweise erwachte er erst, nachdem sie den Bruch gerichtet hatte. Er stöhnte und griff schmerzgepeinigt nach dem Verband. Sie beratschlagte mit Cai, der ihr einige Kräuter brachte, die ihn in Schlaf versetzen sollten. Dann trug man ihn ins Bett. Sie blieb bei ihm, obwohl er sie nicht erkannte. Er stöhnte nur und starrte sie an, ohne etwas zu sehen. Einmal öffnete Lancelot die Augen und murmelte: »Mutter…« Morgaine sank das Herz. Dann fiel er in einen schweren, unruhigen Schlaf, und als er erwachte, erkannte er sie. »Morgaine? Base? Was ist geschehen?«
»Du bist vom Pferd gefallen.«
»Vom Pferd? Von welchem Pferd?« fragte er verwirrt. Als sie es ihm erzählte, erklärte er unbeirrt: »Das ist ja lächerlich. Ich falle nicht vom Pferd!« und versank wieder in Schlaf.
Morgaine saß neben ihm auf dem Bett; er hielt ihre Hand umklammert, und sie glaubte, das Herz würde ihr brechen. Sie spürte noch seine brennenden Küsse auf ihren Lippen und schmerzenden Brüsten. Doch die Gelegenheit war vorüber, und sie wußte es. Selbst wenn er sich daran erinnern sollte, würde er sie nicht mehr begehren. Er hatte sie nie begehrt, außer um den Schmerz zu betäuben, den er beim Gedanken an Gwenhwyfar und an seine Liebe für den König empfand.
Es dunkelte; von der Burg drang Musik herüber… Kevin spielte die Harfe. Sie hörte das Lachen und Singen der feiernden Gesellschaft. Plötzlich öffnete sich die Tür, und Artus kam mit einer Fackel in der Hand herein.
»Schwester, wie geht es Lancelot?«
»Er wird am Leben bleiben. Sein harter Kopf ist nicht so leicht zu brechen«, sagte sie spöttisch.
»Wir möchten, daß du unter den Zeugen bist, wenn die Braut zu Bett gebracht wird, denn du hast auch den Ehevertrag unterschrieben«, sagte Artus. »Aber ich glaube, er sollte nicht alleingelassen werden. Ich möchte ihn nicht einem Kammerherrn übergeben, nicht einmal Cai. Er hat Glück, daß du bei ihm bleibst. Du bist seine Ziehschwester, nicht wahr?«
»Nein«, antwortete Morgaine mit plötzlichem Zorn. Artus trat an das Bett und griff nach Lancelots schlaffer Hand. Der Verletzte stöhnte, bewegte sich und fragte blinzelnd: »Artus?«
»Ich bin bei dir, mein Freund«, antwortete der König, und Morgaine glaubte, noch nie soviel Zärtlichkeit in der Stimme eines Mannes gehört zu haben.
»Ist deinem Pferd… etwas geschehen?«
»Dem Pferd geht es gut. Dieser verfluchte Gaul!« sagte Artus. »Was würde mir das Tier nützen, wenn du tot wärst?« Er schluchzte beinahe.
»Wie ist es… geschehen?«
»Eine alberne Gans flog aus dem Gras auf. Der Gänsejunge hat sich verkrochen. Ich glaube, er weiß, daß er grün und blau geschlagen wird.«
»Tu das nicht«, bat Lancelot, »er ist nur ein dummer Junge. Es ist nicht seine Schuld, daß die Gänse klüger sind als er und sich eine davongemacht hat. Versprich es, Gwydion.« Erstaunt hörte sie, daß Lancelot des Königs alten Namen benutzte. Artus drückte seine Hand, beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Wange. Vorsichtig vermied er dabei die Wunde an der Schläfe.
»Ich verspreche es, Galahad. Schlafe jetzt.«
Lancelot hielt seine Hand umklammert: »Ich habe beinahe deine Hochzeitsnacht zunichte gemacht«, und Morgaine hörte die bittere Ironie darin.
»Das hast du… meine Braut hat so sehr um dich geweint. Ich möchte wissen, was sie tun würde, wenn
ich
mir den Hals gebrochen hätte«, meinte Artus lachend.
Morgaine sagte bestimmt: »Artus, auch wenn du der König bist, muß er jetzt Ruhe haben.«
»Gewiß.« Artus erhob sich. »Ich werde morgen den Merlin schicken, um nach ihm zu sehen. Obwohl… er sollte auch heute nacht nicht alleinbleiben.«
»Ich bleibe bei ihm.« Morgaine klang gereizt.
»Bist du sicher…?«
»Geh jetzt zu
Weitere Kostenlose Bücher