Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Gwenhwyfar. Deine Braut wartet auf dich!«
Artus seufzte ergeben. Dann sagte er: »Ich weiß nicht, was ich mit ihr sprechen… oder was ich mit ihr machen soll.«
Das ist lächerlich! Erwartet er von mir, daß ich es ihm oder seiner Braut zeige?
Aber unter seinem Blick senkte sie den Kopf und sagte weich: »Artus, es ist sehr einfach. Du tust, was die Göttin dir eingibt.«
Der König wirkte wie ein geschlagenes Kind. Schließlich sagte er mit heiserer Stimme und rang dabei um jedes Wort: »Sie… ist nicht die Göttin. Sie ist nur ein Mädchen, und sie… hat Angst.« Dann stieß er hervor: »Morgaine, weißt du nicht, daß ich noch immer…?«
Sie konnte nicht ertragen, was er vielleicht sagen würde.
»Nein!« unterbrach ihn die Schwester heftig und machte eine abwehrende Geste. »Artus, vergiß wenigstens eines nicht: Für sie wirst du immer der Gott sein. Komme zu ihr als der Gehörnte.«
Artus bekreuzigte sich schaudernd. Schließlich flüsterte er: »Gott möge mir vergeben. Das ist die Strafe…« Er schwieg. Unfähig zu sprechen, sahen sich beide lange an. Endlich sagte er: »Morgaine, ich habe kein Recht… aber willst du mich nicht noch einmal küssen?«
»Mein Bruder…« Sie seufzte, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf die Stirn. Dann machte sie das Zeichen der Göttin über seinem Kopf: »Sei gesegnet«, flüsterte sie. »Artus, geh zu ihr. Geh zu deiner Braut. Ich verspreche dir im Namen der Göttin, daß alles gutgehen wird. Ich schwöre es dir.«
Er schluckte – sie sah, wie sich die Muskeln an seinem Hals bewegten. Dann riß er sich von ihren Augen los und murmelte: »Gott segne dich, Schwester.« Die Türe schloß sich hinter ihm.
Morgaine sank auf einen Stuhl und betrachtete starr den schlafenden Lancelot. Quälende Bilder stiegen in ihr auf… Lancelot, der sie im Sonnenlicht auf dem Berg anlächelte… Gwenhwyfar in ihrem schmutzigen, nassen Kleidchen, die sich schutzsuchend an Lancelots Hand klammerte… Der Gehörnte Gott mit dem Hirschblut auf der Stirn, der den Vorhang am Eingang der Höhle beiseite schob… Lancelot, der ihre Brüste mit heißen Küssen bedeckte… war das wirklich erst einige Stunden her?
»Wenigstens«, murmelte sie heftig, »wird er in Artus' Hochzeitsnacht nicht von Gwenhwyfar träumen.« Sie legte sich auf das Bett und schmiegte sich vorsichtig an den Körper des verletzten Lancelot. Schweigend, nicht einmal weinend lag sie in tiefster Verzweiflung neben ihm. Aber sie schloß kein Auge in dieser Nacht. Sie kämpfte gegen das Gesicht, kämpfte gegen Träume, rang um Schweigen und um den Stillstand ihrer Gedanken, wie sie es in Avalon gelernt hatte.
Weit weg, in einem anderen Flügel der Burg lag Gwenhwyfar wach. Sie betrachtete voll schuldbewußter Zärtlichkeit Artus' Haare, die im Mondlicht schimmerten, und seine Brust, die sich ruhig hob und senkte. Tränen rannen ihr langsam über die Wangen.
Ich möchte ihn so gerne lieben,
dachte Gwenhwyfar. Dann betete sie: »O Gott, Heilige Jungfrau Maria, helft mir, ihn so zu lieben, wie ich sollte. Er ist mein König und mein Gebieter… und er ist so gut. Er verdient jemanden, der ihn mehr liebt, als ich es vermag.«
Die Nacht, die sie umgab, schien Trauer und Verzweiflung zu verströmen.
Aber weshalb? Artus ist glücklich. Er kann mir nichts vorwerfen. Woher kommt nur diese Trauer?
6
An einem Tag im Spätsommer saß Königin Gwenhwyfar mit einigen ihrer Hofdamen in der Halle von Caerleon. Es war ein heißer Nachmittag; die meisten Frauen gaben nur vor zu spinnen, oder die letzte Wolle vom Frühjahr aufzurauhen; und die Spindeln bewegten sich sehr langsam. Selbst die Königin, die die geschicktesten Hände von allen hatte, hörte auf, an dem feinen Altartuch zu sticken, das sie dem Bischof schenken wollte.
Morgaine schob die aufgerauhte Wolle beiseite und seufzte. In dieser Jahreszeit bekam sie immer Heimweh. Sie sehnte sich nach dem Dunst, der vom Meer aufstieg und die Felsen von Tintagel einhüllte… sie hatte sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen.
Artus war mit seinen Rittern und der Legion Caerleon an die Südküste gezogen, um die neuen Befestigungsanlagen zu besichtigen, die die Bündnistruppen dort gebaut hatten. In diesem Sommer hatte es keine Überfälle gegeben; und es konnte sehr gut sein, daß die Sachsen, mit Ausnahme der Stämme, die ihren Frieden mit Artus gemacht hatten und in Kent lebten, Britannien endgültig aufgaben. Zwei Jahre Reiterlegion hatten die Kämpfe gegen
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