Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
geradewegs auf den Pavillon zu, wo die königliche Gesellschaft saß. Selbst Artus holte tief Luft; Igraine wich mit bleichem Gesicht zurück; Lancelot riß den Hengst zurück, der sich aufbäumte, hochaufstieg und schließlich auf Lancelots Zügelbefehl wieder wendete.
»Euer Pferd, mein Gebieter«, sagte der Ritter mit großer Gebärde und hielt die Zügel in einer Hand. »Und Euer Vetter. Tante Morgause, nehmt diesen kleinen Tunichtgut und zieht ihm die Hosen stramm!«
Damit ließ er Gareth vom Pferd und beinahe auf Morgauses Schoß gleiten. »Der Hengst hätte ihn wie nichts zertrampeln können!«
Gareth hörte nicht, wie Morgause mit ihm schimpfte; er sah Lancelot mit großen blauen Augen hingebungsvoll an.
»Wenn du größer bist«, sagte Artus und knuffte ihn liebevoll, »werde ich dich zum Ritter schlagen. Dann wirst du in die Welt hinausreiten, Riesen und Räuber besiegen und edle Damen retten.«
»O nein, mein König«, erwiderte das Kind und ließ dabei den weißen Hengst nicht aus den Augen, den Lancelot auf und ab ritt. »Der edle Lancelot soll mich zum Ritter schlagen, und wir werden zusammen Abenteuer suchen.«
Ectorius lachte leise und sagte: »Der junge Achilles hat seinen Patroclus gefunden, wie es scheint.«
»Ich stehe also im Schatten«, sagte Artus gutmütig. »Selbst meine junge Gemahlin kann den Blick nicht von Lancelot wenden und bittet ihn, sie beim Vornamen zu nennen. Jetzt möchte der kleine Gareth auch noch von ihm zum Ritter geschlagen werden. Wäre Lancelot nicht mein bester Freund, ich würde rasend werden vor Eifersucht.«
Pellinore beobachtete den dahingaloppierenden Reiter und sagte: »Dieser verfluchte Drache haust noch immer in einem meiner Seen, überfällt immer wieder meine Untertanen und tötet ihre Kühe. Mit einem solchen Pferd könnte ich vielleicht den Kampf gegen ihn wagen… Ich glaube, ich werde ein Schlachtroß nehmen und mich wieder auf die Suche begeben. Das letzte Mal bin ich kaum mit dem Leben davongekommen.«
»Ein Drache?« fragte der kleine Gareth, »mit feurigem Atem?« »Nein, mein Kleiner. Aber er verbreitet einen unerträglichen Gestank, und aus seinem Bauch dringt ein Lärm wie von einer ganzen Meute bellender Hunde«, sagte Pellinore, und Ectorius fügte hinzu: »Drachen speien kein Feuer, Gareth. Das kommt von dem alten Brauch, eine Sternschnuppe einen Drachen zu nennen, da sie einen Feuerschweif nach sich zieht…
früher
mag es einmal feuerspeiende Drachen gegeben haben, in unserer Zeit nicht mehr.«
Morgaine hörte ihm nicht zu, sondern überlegte, was an Pellinores Geschichte wahr und was übertrieben sein mochte, um das Kind zu beeindrucken. Sie beobachtete Lancelot, der die Gangarten des Pferdes vorführte.
Artus wandte sich an Gwenhwyfar: »Ich könnte nie ein Pferd zureiten … Lancelot bereitet es für mich auf die Schlacht vor. Dieser Hengst war noch vor zwei Monaten so wild wie Pellinores Drachen … Seht ihn Euch jetzt an.«
»Für mich ist er immer noch wild«, erwiderte Gwenhwyfar, »aber ich fürchte mich auch vor dem sanftesten Pferd.« »Ein Schlachtroß darf nicht so zahm sein wie der Zelter einer Dame«, erklärte Artus, »sein Blut muß schon schäumen… Um Himmels willen!« rief er plötzlich und stand auf. Etwas Weißes flog durch die Luft; ein Vogel, vielleicht eine Gans flatterte plötzlich auf und kam unter die Hufe des Pferdes. Lancelot saß gerade entspannt im Sattel und war nicht darauf gefaßt, daß das Pferd sich jäh aufbäumte und stieg. Er kämpfte wie wild, um im Sattel zu bleiben, stürzte aber und fiel beinahe unter die Hufe.
Schnell rollte er zur Seite. Gwenhwyfar schrie entsetzt auf. Morgause und die anderen Frauen stimmten in den Schrei mit ein; Morgaine vergaß völlig, daß sie einen verzerrten Knöchel zu beklagen hatte, sprang auf, rannte zu Lancelot und zog ihn unter den Hufen hervor. Artus griff nach den Zügeln und zerrte das Pferd mit aller Macht aus des Ritters Nähe, der ohnmächtig am Boden lag. Morgaine kniete neben ihm und griff an seine Schläfe, wo aus einer bläulichen Wunde Blut tropfte und sich mit dem Staub vermischte.
»Ist er tot?« schrie Gwenhwyfar, »ist er tot?«
»Nein«, antwortete Morgaine schroff. »Bringt kaltes Wasser, es muß auch noch etwas Leinen von meinem Umschlag dasein. Ich glaube, er hat sich den Arm gebrochen. Er fing den Sturz mit der Hand ab, um sich nicht das Genick zu brechen. Und der Hufschlag gegen den Kopf…«, sie beugte sich über ihn und preßte ihr
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