Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
errungen zu haben.
Die Frauen brachen früh am nächsten Morgen auf. Meleas bat darum, bei der Königin bleiben zu dürfen, aber Griflet ließ es nicht zu. »Elaine hat weder Mann noch Kind«, sagte er. »Laß sie, wo sie ist. Wenn ich König Pellinore wäre, ich würde meiner Tochter nicht erlauben, hierzubleiben, Königin hin, Königin her. Ihr
werdet
nach Camelot gehen.« Und Gwenhwyfar glaubte zu sehen, daß Griflet sie verächtlich anfunkelte.
Artus gab ihr deutlich zu verstehen, daß die Burg zum Heerlager gehörte. Er legte ihr nahe, mit Elaine und der Zofe in ihren Gemächern zu bleiben. Den größten Teil ihrer persönlichen Habe hatte man bereits nach Camelot geschickt. Man brachte aus einer der Gästekammern ein Bett, in dem sie und Elaine schlafen sollten. Artus blieb in den Nächten bei den Männern im Lager. Er erkundigte sich täglich einmal nach ihrem Befinden. Aber zu sehen bekam sie ihn selten.
Anfänglich dachte sie, das Heer würde jeden Tag abmarschieren, um mit den Sachsen zu kämpfen, oder die Schlacht würde um die Burg entbrennen. Aber es vergingen Tag um Tag, Woche um Woche. Einzelne Reiter und Boten kamen und gingen. Gwenhwyfar beobachtete, daß weitere Truppen eintrafen. Aber sie war in der Kammer und dem winzigen Garten dahinter eingeschlossen und hörte nur kümmerliche Neuigkeiten, die ihre Zofe und die Amme erzählten. Aber meist ergaben sie keinen Sinn und waren nur das übliche Geschwätz. Die Zeit lastete schwer auf ihr. Morgens litt sie unter Übelkeit und wünschte nur, im Bett liegenzubleiben. Aber ein paar Stunden später ging es ihr wieder gut. Dann ging sie ruhelos im Garten auf und ab. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um die räuberischen Sachsen vor der Küste und um ihr Kind… sie hatte nichts zu tun. Sie hätte gern Kleider für das Kind genäht, hatte aber keine Wolle zum Spinnen, und der große Webstuhl stand in Camelot. Doch der kleine Webstuhl, die Seidengarne, die gesponnene Wolle und der Strick-rahmen – sie hatte dies alles mit nach Tintagel genommen – waren ihr geblieben. Und Gwenhwyfar dachte daran, ein Banner zu wirken… Artus hatte ihr einmal versprochen, wenn sie ihm einen Sohn schenke, könne sie sich wünschen, was sie wolle; und wenn es in seiner Macht stünde, würde er ihr den Wunsch erfüllen. Sie hatte sich vorgenommen, daß sie ihn an diesem Tag bitten würde, das heidnische Drachenbanner herunterzuholen und durch das Kreuz Christi zu ersetzen. Dann wäre er Großkönig über ein christliches Land und seine Legionen ein Heiliges Heer unter dem Schutz der Jungfrau Maria.
Sie stellte es sich sehr schön vor – blau mit goldenen Fäden; für den Mantel der Jungfrau wollte sie ihr kostbarstes, scharlachrotes Seidengarn verwenden. Sie hatte keine andere Beschäftigung, deshalb arbeitete sie von morgens bis abends daran. Und da Elaine ihr half, kam sie schnell voran.
In jeden Stich dieses Banners lege ich ein Gebet für Artus
' Sieg! Und ich bete darum, daß dieses Land von Tintagel bis Lothian ein christliches Reich wird…
Eines Nachmittags besuchte sie der Merlin, der Ehrwürdige Taliesin. Sie zögerte, ihn zu empfangen. War es richtig, daß der alte Heide und Teufelsanbeter in ihre Nähe kam, wenn sie Artus' Kind im Leib trug, der eines Tages König in einem christlichen Land sein würde? Aber als sie in die freundlichen Augen des alten Mannes blickte, fiel ihr wieder ein, daß er Igraines Vater war und der Urgroßvater ihres Sohnes sein würde.
»Möge der Ewige Euch segnen, Gwenhwyfar«, sagte er und breitete die Arme aus. Sie bekreuzigte sich und überlegte, ob er darin eine Beleidigung sah. Aber er schien darin nur ein anderes segnendes Zeichen zu sehen.
»Wie geht es Euch, Herrin, in Eurem Verlies?« fragte er leicht spöttisch und blickte sich im Zimmer um. »Ja, wahrhaftig! Man könnte Euch wirklich für eine Gefangene halten! Ihr wärt besser in Camelot aufgehoben oder in Avalon oder auf Ynis Witrin… Ihr habt dort bei den Nonnen die Schule besucht, nicht wahr? Zumindest hättet Ihr dann frische Luft und Bewegung! Diese Kammer hier gleicht eher einem Stall!«
»Luft habe ich genug im Garten«, erwiderte Gwenhwyfar und beschloß, daß das Bettzeug noch am selben Tag gelüftet werden sollte. Die Dienerin mußte den Raum putzen und lüften, in dem die ganze Habe von vier Frauen verstreut lag – er war wirklich zu klein.
»Dann, mein Kind, achtet darauf, daß Ihr Euch jeden Tag in der frischen Luft ergeht, selbst wenn es regnet…
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