Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
warf die Decken zurück. »Ich kann es nicht ertragen, daran zu denken, daß du zuläßt, daß dieser schmutzige Drachen alles besudelt, wie in meinem Traum… Sieh mal, was ich für dich gemacht habe!« Barfuß zog sie ihn an beiden Händen zum Webstuhl. »Siehst du, es ist fast fertig. In drei Tagen könnte es deinem Heer voranleuchten.«
Artus legte den Arm um sie und drückte ihren Körper an sich. »Ich wollte, es würde dir nicht soviel bedeuten, Gwenhwyfar. Es tut mir leid. Ich werde es neben dem Banner des Pendragon in die Schlacht tragen lassen, wenn du willst. Aber ich kann meinen Schwur nicht brechen.«
»Gott wird dich bestrafen, wenn du einen Schwur hältst, den du den Heiden geleistet hast und nicht Ihm«, rief sie. »Er wird uns beide bestrafen…«
Artus befreite sich aus der Umklammerung ihrer Hände. »Armes Kleines, du bist krank und niedergeschlagen. Das ist auch kein Wunder, hier an diesem Ort! Jetzt ist es leider zu spät, dich wegzuschicken, selbst wenn du bereit wärst zu gehen. Zwischen Caerleon und Camelot treiben die Sachsen ihr Unwesen. Versuche dich zu beruhigen, meine Liebe«, sagte er und ging zur Tür. Gwenhwyfar rannte ihm nach und hielt Artus am Arm fest. »Du bist mir nicht böse…?«
»Böse? Du bist krank und erschöpft!« Er küßte sie auf die Stirn. »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen, Gwenhwyfar. Aber jetzt muß ich gehen. Ich erwarte einen Boten, der jeden Augenblick eintreffen kann. Ich werde dir Kevin schicken, damit er dir etwas vorspielt. Seine Musik wird dich aufmuntern.« Er küßte sie noch einmal und ging. Gwenhwyfar setzte sich wieder an den Webstuhl und begann wie rasend zu arbeiten.
Am Nachmittag des nächsten Tages kam Kevin. Er stützte sich auf einen Stock und hatte die Harfe über eine Schulter gehängt – er wirkte mehr denn je wie ein monsterhafter Buckliger, als er in der Tür stand. Gwenhwyfar kam es vor, als rümpfe er beim Eintreten die Nase. Und plötzlich sah sie den Raum mit seinen Augen – überall türmten sich die alltäglichen Dinge von vier Frauen, und die Luft war nicht übermäßig frisch. Er hob die Hand zum Segen der Druiden, und Gwenhwyfar zuckte zusammen – den Segen des Ehrwürdigen Taliesin konnte sie noch hinnehmen, aber bei Kevin erfüllte es sie mit Angst und Schrecken, als würde er sie und das Kind mit heidnischer Zauberei verhexen. Sie bekreuzigte sich verstohlen und überlegte, ob er es bemerkte.
Elaine ging dem Barden entgegen und sagte höflich: »Erlaubt, daß ich Euch mit der Harfe behilflich bin, Großer Harfner.«
Kevin machte eine Bewegung, als wolle er sie verscheuchen, antwortete aber ruhig und mit wohlklingender Stimme: »Ich danke Euch. Doch niemand darf meine Herrin berühren. Glaubt Ihr nicht, es hat einen Grund, daß ich sie trage, obwohl ich mich selbst am Stock kaum vorwärtsschleppen kann?«
Elaine senkte den Kopf wie ein getadeltes Kind und sagte: »Ich wollte nichts Schlechtes tun, Meister.«
»Natürlich nicht. Wie hättet Ihr es auch wissen sollen?« antwortete er und verrenkte sich mühsam, um die Harfe abzustellen.
»Sitzt Ihr bequem, Großer Harfner? Mögt Ihr vor dem Singen einen Becher Wein?« fragte Gwenhwyfar. Er nahm dankend an, bemerkte dann das Banner mit dem Kreuz auf dem Webstuhl und fragte Elaine: »Ihr seid doch die Tochter von König Pellinore, Herrin. Webt Ihr ein Banner für Euren Vater?«
Gwenhwyfar antwortete schnell: »Elaines Hände waren mit ebensoviel Geschick am Werk wie meine. Aber das Banner ist für Artus bestimmt.«
Kevins volle Stimme klang so unbeteiligt, als bewundere er die ersten Versuche eines Mädchens: »Es ist schön und wird ein hübsches Wandgehänge in Camelot abgeben. Aber ich bin sicher, Artus wird das Pendragonbanner führen wie sein Vater vor ihm. Doch Damen sprechen nicht gerne vom Krieg. Soll ich für Euch spielen?« Er griff in die Saiten, und Gwenhwyfar lauschte wie gebannt. Auch ihre Dienerin erschien in der Tür, um zuzuhören, wissend, an einem königlichen Geschenk teilzuhaben. Kevin spielte lange, während langsam die Dämmerung hereinschlich. Die Musik trug Gwenhwyfar in eine Welt davon, in der es keine Unterschiede zwischen Heiden oder Christen gab, in der es nicht von Belang war, ob Krieg oder Frieden herrschte – eine Welt, in der nur der menschliche Geist in der großen Dunkelheit wie eine unauslöschliche Fackel leuchtete. Gwenhwyfar konnte nicht sprechen, als die letzten Töne verklungen waren. Sie sah, daß Elaine leise
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