Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
nicht zu nah!« schrie sie mit erstickter Stimme. »Faß mich nicht an mit deinen teuflischen Schlangenhänden… Heide, Höllensohn, dein sündiges Getier darf meinen Sohn nicht behexen!«
»Gwenhwyfar!« Elaine eilte zu ihr, aber anstatt sich um die Königin zu kümmern, beugte sie sich besorgt über Kevin, reichte ihm die Hand und half ihm auf die Beine. »Ehrwürdiger Druide, verflucht sie nicht… sie ist krank und weiß nicht, was sie tut…«
»So, ich weiß das nicht?« kreischte Gwenhwyfar. »Glaubst du, ich wüßte nicht, was ihr alle von mir haltet… für euch bin ich eine Närrin, taub, blind und stumm! Ihr wollt mich mit freundlichen Worten beruhigen, während ihr hinter dem Rücken der Priester versucht, Artus für das Heidentum und das Werk des Teufels zu gewinnen! Ihr würdet uns in die Hände der bösen Zauberer liefern … Geh mir aus den Augen, Druide, damit mein Kind nicht eine Mißgeburt wird, weil ich in deine Fratze geblickt habe…«
Kevin verkrampfte die Hände und schloß die Augen. Dann wendete er sich ruhig ab und begann mühsam, die Harfe auf seine Schulter zu heben. Er tastete nach seinem Stock. Elaine half ihm, und Gwenhwyfar hörte sie flüstern: »Vergebt ihr, Ehrwürdiger Druide. Sie ist krank und weiß nicht…«
Kevin antwortete barsch: »Das weiß ich wohl, Herrin. Glaubt Ihr, ich hätte noch nie zuvor so liebliche Worte von einer Frau gehört? Es tut mir leid. Ich wollte Euch nur eine Freude machen.«
Gwenhwyfar hielt den Kopf in den Händen vergraben und hörte, wie er sich mit schlurfenden Schritten am Stock aus dem Zimmer schleppte. Selbst nachdem der Harfner gegangen war, lief sie händeringend durch das Zimmer – oh, er hatte sie mit diesen ekelhaften Schlangen verflucht. Und sie spürte, wie dieses Getier sich zuckend in ihren Leib fraß. Die brennenden Pfeile am Himmel durchbohrten sie, die Flammen brannten in ihrem Kopf… Aufschreiend verbarg Gwenhwyfar wieder das Gesicht in den Händen und fiel zuckend zu Boden, als würde sie aufgespießt… Sie hörte noch Elaines entsetzten Schrei.
»Gwenhwyfar! Base, sieh mich an! Sag etwas! Hilf uns, Heilige Jungfrau Maria… Holt die Amme! Um Gottes willen, Blut…«
»Kevin«, keuchte Gwenhwyfar. »Dieser Druide hat mein Kind verflucht…«
Wie von Furien gehetzt, stand sie auf; unerträgliche Schmerzen durchzuckten sie, und sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Mauer. »Gott helfe mir! Holt den Priester, der Priester soll kommen! Vielleicht kann er diesen Fluch von mir nehmen…« Ohne auf das Blut und das Wasser zu achten, das ihr über die Schenkel rann, schleppte sie sich zu dem Banner und bekreuzigte sich vor ihm wie eine Rasende immer und immer wieder, ehe alles in Dunkelheit und drückender Schwere versank.
Tage später begriff Gwenhwyfar, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Nach der Geburt des Viermonatskindes, das zu klein und zu schwach war, um zu leben, war sie beinahe verblutet.
Artus. Jetzt muß er mich hassen! Ich konnte seinen Sohn nicht einmal lebend zur Welt bringen… Kevin, der Druide, hat mich mit seinen Schlangen verflucht…
Sie versank in furchtbare Träume von Schlangen und Speeren. Einmal kam König Artus an ihr Bett und versuchte, ihren Kopf zu halten, aber sie wich entsetzt vor den Schlangen zurück, die sich um seine Handgelenke wanden.
Selbst als die Gefahr vorüber war, kehrte ihre Lebenskraft nicht zurück. Bewegungslos und gleichgültig gegenüber allem lag sie im Bett. Tränen rannen ihr über das Gesicht, und sie besaß nicht einmal die Kraft, sie wegzuwischen. Nein, es war dumm zu glauben, Kevin habe sie verflucht; ihre Raserei mußte ihr diese Wahnvorstellung eingeflößt haben… Dies war nicht ihre erste Fehlgeburt, und wenn jemanden die Schuld daran traf, dann nur sie selbst. Sie war hiergeblieben, während sie frische Luft, gesunde Ernährung und die Gesellschaft ihrer Hofdamen hätte haben können… Der Priester besuchte sie. Auch er vertrat die Ansicht, es sei falsch anzunehmen, Kevin habe sie verflucht. Gott würde sich nicht der Hände eines Heiden bedienen, um sie zu bestrafen.
»Ihr dürft nicht so schnell bereit sein, andere zu beschuldigen«, erklärte er streng. »Wenn eine Schuld vorliegt, dann muß es Eure eigene sein. Lastet eine ungebeichtete Sünde auf Eurem Gewissen, Lady Gwenhwyfar?«
Ungebeichtet? Nein. Ihre Liebe zu Lancelot hatte sie schon vor langer Zeit gebeichtet und war losgesprochen worden. Sie hatte sich bemüht, ihre Gedanken nur auf ihren
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