Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Nein, ich möchte keine Sahne. Du willst doch nicht, daß ich so dick werde wie ein altes Mutterschwein… oder?«
    Gwydion legte den Kopf zur Seite wie ein kleiner hübscher Vogel und betrachtete Morgause nachdenklich: »Das würde nichts ausmachen. Du wärst auch dick und rund noch schön. Es gibt Frauen am Hof, die sind nicht dicker als du… Mara, zum Beispiel… aber alle, selbst die Männer, nennen sie nur die dicke Mara. Du wirkst dünner als du bist. Ein jeder, der dich ansieht, bemerkt nur, daß du schön bist. Deshalb kannst du die Sahne ruhig essen, wenn dir danach ist, Ziehmutter.«
    Welche Antwort für ein Kind! Aber schließlich wurde Gwydion langsam ein Mann. Wie Agravain würde er nie wirklich groß werden – er gehörte zum Alten Volk. Und neben dem riesigen Gareth würde er auch noch mit zwanzig wie ein Kind wirken! Der Knabe hatte sich das Gesicht gewaschen und die Haare sorgsam gekämmt – tatsächlich, sie waren sogar geschnitten.
    »Wie hübsch du aussiehst, Sonnenschein«, sagte sie, während er mit seinen kleinen Fingern zielsicher nach einer Beere auf dem Teller griff. »Hast du dir die Haare selbst geschnitten?«
    »Nein«, erklärte er, »ich habe den Kämmerer dazu überredet. Ich habe ihm gesagt, ich will nicht länger wie ein struppiger Hund aussehen. Lot war immer glatt rasiert und sorgfältig gekämmt… Lancelot ebenfalls. Ich möchte auch wie ein Ritter aussehen.«
    »Und so siehst du auch immer aus, Sonnenschein«, sagte Morgause und betrachtete die zierlichen dunklen Finger, die die Beere hielten. Seine Hand war von Dornen zerkratzt und zerschunden, wie die Hand eines richtigen Jungen. Aber ihr fiel auf, daß er sie lange und hartnäckig gebürstet haben mußte, denn die Fingernägel waren sauber und sorgfältig kurzgeschnitten. »Aber warum hast du heute morgen deine beste Tunika angezogen?«
    »Habe ich das?« fragte Gwydion mit unschuldigem Gesicht. »Ach ja, das habe ich. Nun…« Er schwieg, und Morgause wußte, sie würde den Grund dafür – und natürlich hatte er einen guten Grund – nie erfahren. Schließlich erklärte er ruhig: »Meine andere ist beim Beerensammeln naß geworden, Herrin.« Plötzlich sagte er: »Ich glaubte immer, ich würde den Ritter Lancelot hassen, Mutter. Gareth sprach von morgens bis abends nur von Lancelot…«
    Morgause erinnerte sich, daß Gwydion untröstlich gewesen war, als Gareth in den Süden an Artus' Hof zog – obwohl er natürlich nie in ihrer Gegenwart weinte. Auch Morgause vermißte Gareth – er war der einzige Mensch weit und breit, der auf Gwydion Einfluß besaß und ihn schon durch eine bloß hingeworfene Bemerkung umstimmen konnte. Nachdem Gareth Lothian verlassen hatte, gab es niemanden mehr, auf den Gwydion hörte.
    »Ich glaubte, Ritter Lancelot sei ein eingebildeter, ichbezogener Narr. Aber das stimmt nicht, Mutter. Er ist ganz anders. Er erzählte mir mehr über Leuchttürme als selbst Lot wußte. Und er versprach, ich könne an König Artus' Hof gehen, wenn ich älter bin, und er würde mich zum Ritter schlagen, wenn ich ein guter und ehrenhafter Mann werde.« Gwydions tiefliegende dunkle Augen blickten nachdenklich.
    »Alle Frauen behaupten, ich sehe aus wie er… sie fragten mich danach, und zu meiner Schande wußte ich nicht, was ich ihnen antworten sollte, Ziehmutter.« Er beugte sich vor – das dunkle weiche Haar fiel ihm in das ernste Gesicht und verlieh ihm eine ungewöhnliche Verwundbarkeit. »Sag mir die Wahrheit. Ist Ritter Lancelot mein Vater? Ich denke, Gareth ist vielleicht deshalb so vernarrt in ihn…«
    Du bist nicht der erste, der das fragt, mein Sonnenschein,
dachte Morgause und strich ihm über das seidige Haar. Der selten kindliche Ausdruck seines Gesichts ließ sie mit sanfterer Stimme als gewöhnlich antworten.
    »Nein, mein Kleiner. Lancelot ist der einzige Mann im ganzen Reich, der nicht dein Vater sein kann… ich habe mich sehr genau danach erkundigt. Als du gezeugt wurdest, kämpfte Lancelot an der Seite seines Vaters, König Ban, in der Bretagne. Ich glaubte es zunächst auch. Aber du siehst ihm ähnlich, weil Lancelot mit deiner Mutter verwandt ist, wie ich es bin. Er ist dein Onkel, mein Sonnenschein, aber nicht dein Vater.«
    Gwydion musterte sie zweifelnd, und Morgause konnte seine Gedanken beinahe lesen:
Das hätte sie auch gesagt, wenn sie wüßte, daß Ritter Lancelot mein Vater ist.
Schließlich erklärte er: »Vielleicht gehe ich eines Tages nach Avalon anstatt an König Artus' Hof.

Weitere Kostenlose Bücher