Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Tafel würde drei Tage davon satt werden. Der Fisch lag ausgenommen und
mit Gewürzen bestreut auf dem Tisch, bereit in den Ofen geschoben zu werden, als Gwydion zurückkehrte. Er hatte sich Füße und Hände gewaschen, die Haare gekämmt und zog die Sandalen wieder an. Er lächelte, als er den Fisch sah.
»Ja, es wird wirklich ein Fest werden«, sagte er mit Genugtuung.
»Bist du die Zäune alle abgegangen, Ziehbruder?« erkundigte sich Agravain, der gerade aus den Ställen kam, wo er ein krankes Pferd behandelt hatte.
»Gewiß, und die meisten sind in Ordnung«, erwiderte Gwydion. »Nur ganz oben auf den nördlichen Hügeln, wo im letzten Herbst die Mutterschafe weideten, klafft ein großes Loch in den Steinwällen. Du mußt Männer schicken, um die Mauer auszubessern, ehe wir wieder Schafe dorthin treiben… und Ziegen wären noch schneller auf und davon.«
»Du bist den ganzen Weg dahin allein gegangen?« fragte Morgause entsetzt. »Du bist doch keine Ziege… du hättest stürzen und dir ein Bein brechen können. Du hättest tagelang in einer Felsspalte liegen können, ohne daß jemand es gewußt hätte. Ich habe dir immer und immer wieder gesagt, du sollst einen der Hütejungen mitnehmen, wenn du in die Berge gehst.«
»Ich hatte meine Gründe, allein zu gehen«, entgegnete Gwydion mit diesem bewußten hartnäckigen Zug um den Mund, »und ich habe gesehen, was ich sehen wollte.«
»Was kannst du denn schon gesehen haben, wofür es sich lohnt, einen Unfall in Kauf zu nehmen und vielleicht tagelang irgendwo herumzuliegen?« herrschte Agravain den Knaben verärgert an.
»Ich bin noch nie gestürzt«, gab Gwydion zurück, »und wenn ich stürze, muß ich darunter leiden, nicht du! Was geht es dich an, wenn ich mein Leben aufs Spiel setze?«
»Ich bin dein älterer Bruder, und in diesem Haus gilt mein Wort«, erklärte Agravain. »Wenn du mir nicht die gehörige Achtung entgegenbringst, muß ich sie dir eben in deinen Dickschädel schlagen!«
»Vielleicht solltest du dir lieber deinen Kopf aufschlagen, dann könnte man dir ein bißchen Verstand hineinstreuen«, erwiderte Gwydion frech. »Ich bin sicher, er wird nicht von selbst dort wachsen…«
»Du verdammter kleiner…«
»Nun sag es schon«, schrie Gwydion, »mach dich nur lustig über meine Herkunft, du… ich weiß nicht, wer mein Vater ist. Aber ich kenne
deinen
Vater, und da ist mir meiner immer noch lieber!«
Agravain wollte sich auf Gwydion stürzen. Aber Morgause stand schnell auf und stellte sich schützend vor ihn. »Laß den Jungen in Frieden, Agravain!«
»Wenn er sich immer hinter deinen Röcken versteckt, Mutter, ist es kein Wunder, daß ich ihn keinen Gehorsam lehren kann!« schimpfte Agravain.
»Dazu wäre ein besserer Mann nötig als du«, stieß Gwydion hervor, und Morgause erschrak über die Bitterkeit in seiner Stimme.
»Still, still, Kind… so darfst du nicht mit deinem Bruder reden«, ermahnte sie ihn, und Gwydion sagte: »Es tut mir leid, Agravain. Ich hätte nicht so grob zu dir sein dürfen.« Er lächelte mit großen unschuldigen Augen unter dunklen Wimpern zu ihm auf – ein Bild echter Zerknirschung.
Agravain brummte: »Ich denk nur an dein Wohl, du Schlingel… ich möchte wirklich nicht, daß du dir die Knochen im Leib brichst. Und warum mußtest du dir in den Kopf setzen, allein auf den Berg zu klettern?«
»Nun«, erwiderte Gwydion, »sonst wüßtest du nichts von dem Loch in der Mauer. Du hättest die Schafe dorthin getrieben oder sogar die Ziegen, und sie alle verloren. Und ich zerreiße nie meine Kleider, nicht wahr, Mutter?«
Morgause lächelte, denn es stimmte – mit Gwydion hatte sie in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten. Es gab eben solche und solche Knaben. Gareth mußte man nur eine Tunika anziehen, und innerhalb einer Stunde war sie zerknittert, schmutzig und fleckig. Gwydion dagegen kletterte in seiner besten Tunika auf den Berg und kam zurück, als habe er sie gerade von der Waschfrau geholt. Gwydion sah Agravain an und sagte: »Aber so kannst du dich nicht mit Mutter an die Tafel setzen, die ihr bestes Gewand trägt. Geh und zieh deine gute Tunika an, Bruder. Du willst doch nicht wie ein Bauer im Kittel an der Tafel sitzen!«
»Von einem jungen Naseweis wie dir lasse ich mich nicht herumbefehlen«, knurrte Agravain. Aber er verschwand in seiner Kammer, um sich umzuziehen.
Gwydion lächelte voll Genugtuung hinter ihm her und sagte: »Agravain sollte heiraten, Mutter. Er ist gereizt wie ein
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