Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Stier im Frühling, und außerdem solltest du nicht seine Kleider weben und ausbessern müssen.«
Morgause entgegnete belustigt: »Du hast sicher recht. Aber ich möchte keine Königin neben mir unter diesem Dach haben. Kein Haus ist groß genug für das Regiment zweier Frauen.«
»Dann solltest du ihm eine Frau suchen, die nicht von zu hoher Abkunft und obendrein dumm ist«, antwortete Gwydion. »Sie wird bereitwillig auf deinen Rat hören, weil sie sonst in ständiger Furcht lebt, sich selbst vor allen Leuten bloßzustellen. Nialls Tochter wäre vielleicht richtig… sie ist sehr hübsch, kommt aus einer reichen Familie… aber sie sind auch nicht zu reich, denn in dem schlechten Winter vor sechs Jahren haben sie viele Rinder und Schafe verloren. Sie bekommt eine gute Mitgift, denn Niall fürchtet, sie könnte unvermählt bleiben. Sie hatte mit sechs die Masern und ist auch nicht die Klügste. Trotzdem, sie kann spinnen und weben. Aber ihr fehlt der Blick und der Verstand für mehr. Sie wird auch nichts dagegen haben, wenn Agravain sie immer wieder schwängert.«
»Oh, oh, oh… was bist du doch schon für ein kluger Staatsmann«, sagte Morgause zynisch. »Agravain sollte dich zu seinem Ratgeber ernennen… du bist so klug.« Aber sie dachte:
Ach ja, Gwydion hat recht. Ich werde morgen mit Niall sprechen.
»Es wäre nicht das Schlechteste für ihn«, entgegnete Gwydion ernsthaft. »Aber ich werde ihm nicht zur Verfügung stehen können, Mutter. Ich wollte es dir schon früher sagen. Als ich auf dem Berg war, sah ich… Aber nein, hier kommt Donil der Jäger. Er kann es dir sagen.«
Und in der Tat, der riesige Jäger betrat gerade die Halle und verbeugte sich tief vor Morgause.
»Herrin«, sagte er, »Reiter nähern sich der Burg… eine verhängte Sänfte wie die Barke von Avalon und ein Buckliger mit einer Harfe.
Die Diener tragen das Zeichen von Avalon. Bald werden sie hier sein.«
Avalon!
Morgause sah Gwydions zufriedenes Lächeln und wußte, daß er sich darauf vorbereitet hatte.
Aber er hat nie ein Wort über das Gesicht verloren! Kein Kind auf der ganzen Welt außer ihm würde sich nicht damit brüsten.
Und plötzlich erschien ihr die Vorstellung unheimlich, daß er es verhehlte und sich lieber an seinem geheimen Wissen erfreute. Einen Augenblick lang erschrak sie und fürchtete sich beinahe vor ihrem Pflegesohn. Sie wußte, daß Gwydion es mit einer gewissen Zufriedenheit bemerkte.
Aber der Knabe sagte nur: »Ist es jetzt nicht schön, daß wir Honigkuchen und Fisch haben, und daß wir alle unsere besten Kleider tragen, um Avalon die Ehre zu geben, Mutter?«
»Gewiß«, antwortete Morgause und starrte Gwydion an, »es ist wirklich sehr schön, mein Sohn.«
Morgause stand im Burghof und erwartete die Gäste. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an den Tag, als Viviane und Taliesin in die abgelegene Burg Tintagel gekommen waren. Sie vermutete, daß Taliesin, wenn er noch lebte, inzwischen viel zu alt für solche Reisen war – aber sicher hätte sie von seinem Tod erfahren. Und Viviane ritt wahrscheinlich auch nicht mehr wie ein Mann in Stiefeln und Hosen und so schnell wie früher.
Gwydion stand ruhig neben ihr. In seiner gelben Tunika und mit den dunklen Haaren, die ordentlich aus dem Gesicht gekämmt waren, sah er Lancelot sehr ähnlich. »Wer sind die Gäste, Mutter?«
»Ich vermute, es ist die Herrin vom See«, erwiderte Morgause, »und der Merlin von Britannien, der Bote der Götter.« »Du hast mir einmal erzählt, meine Mutter sei eine Priesterin von Avalon«, sagte Gwydion. »Hat ihr Kommen etwas mit mir zu tun?«
»Ach, erzähle mir nicht, es gäbe etwas, was du nicht weißt!«, erwiderte Morgause scharf, lenkte dann aber ein: »Ich weiß nicht, warum sie kommen, mein Sonnenschein.
Ich
habe das Gesicht nicht. Aber es kann schon sein. Ich möchte, daß du den Wein eingießt, daß du zuhörst und lernst, aber nichts sagst, bis man dich anredet.«
Das wäre ihren eigenen Söhnen schwergefallen, dachte sie – Gawain, Gaheris und Gareth waren lärmende und neugierige Kinder gewesen, und es war schwer, ihnen höfisches Benehmen beizubringen. Sie glichen großen, freundlichen Hunden, während Gwydion wie eine Katze still, glatt und anspruchsvoll war. Seinen wachsamen Augen entging nichts. Darin glich er völlig der kleinen Morgaine…
Viviane hat nicht klug gehandelt, als sie Morgaine verstieß, weil sie ein Kind bekam… und warum sollte sie überhaupt etwas dagegen haben? Sie hat selbst
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