Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Wort gegen sie gesagt, Lancelot«, erinnerte ihn Morgaine. »Die Vorwürfe kommen aus deinem Mund, nicht aus meinem.«
»Möchtest du mit einem Mann verheiratet werden, den du noch nie gesehen hast?«
Morgaine versuchte scherzhaft zu antworten: »Wenn du eines Tages um meine Hand anhältst, werde ich nicht nein sagen.« Dann bereute sie ihre Worte, denn er wurde wieder dunkelrot und sagte: »Morgaine… wenn Artus mich auffordert…« Aber er sprach nicht weiter, und Morgaine wußte, sie sehnte sich immer noch nach ihm, trotz allem, was vorgefallen war. Für ein aufrichtiges Wort der Liebe oder des Verlangens würde sie ihm zu Füßen liegen. Sie dachte:
Ich könnte ihn dazu bringen, daß er mich begehrt.
Aber dieses Wissen war bitter und trocken wie ein Mund voll Staub. Sie hatte dieses Spiel einmal gespielt. Und unter seinem Verlangen lag die Furcht vor ihr, wie vor Viviane. Seine Furcht grenzte an Haß, weil er dieses Verlangen spürte.
Wenn Artus mich auffordert
… ja, wenn der König es befahl, würde er sie heiraten. Aber er würde sie bald hassen. Tränen traten ihr in die Augen, und Lancelot drückte sie an sich. In seiner Umarmung lag kein Verlangen.
Gepreßt sagte er: »Du weißt, ich liebe dich, Morgaine. Ich schwöre, ich liebe dich. Aber dir bringe ich andere Gefühle entgegen. Du weißt, ich habe es versucht, denn es wäre nur richtig.« Er schwieg und zwang sich, ihr in die Augen zu sehen: »Du hast mich verflucht, und… glaube mir, ich bin verflucht.«
Plötzlich verflogen der alte Zorn und die Verachtung. Sie liebte ihn. Sie würde nie aufhören zu leiden, aber er war nun einmal, wie er war. Sie umschloß seine Hand mit ihren beiden Händen: »Mache dir darüber keine Gedanken, Vetter. Das liegt viele, viele Jahre zurück. Ich glaube nicht, daß ein Gott oder eine Göttin die Worte eines zornigen Mädchens beachtet, das sich beleidigt fühlt… und mehr war es damals nicht.«
Lancelot holte tief Luft und ging von neuem auf und ab. Schließlich sagte er: »Ich hätte Gawain heute abend ermorden können. Wie gut, daß du uns mit diesem gotteslästerlichen Spaß abgelenkt hast. Ich… ich mußte mein ganzes Leben lang darunter leiden. Als Junge an Bans Hof war ich noch hübscher als Gareth heute. Und in der Bretagne muß sich ein solcher Junge wie an jedem anderen Hof vorsehen wie eine Jungfrau. Kein Mann sieht oder glaubt das, bis er es selbst zu spüren bekommt. Er hält es nur für einen schlechten Spaß, den man über andere macht. Es gab eine Zeit, da dachte ich ebenso… danach kam eine Zeit, da dachte ich, es könne nie mehr anders sein…«
Es entstand ein langes Schweigen, während Lancelot grimmig auf das Pflaster starrte. »Und dann versuchte ich es mit Frauen, mit allen Frauen… sogar mit dir, dem Pflegekind meiner Mutter und der geweihten Priesterin der Göttin. Aber nur wenige Frauen konnten mich auch nur im geringsten erregen, bis ich…
sie
sah.« Morgaine war froh, daß er Gwenhwyfars Namen nicht aussprach. »Und seit diesem Augenblick hat es keine andere gegeben. Bei ihr weiß ich, daß ich ein richtiger Mann bin.«
Morgaine sagte: »Aber sie ist mit Artus verheiratet…«
»Oh, mein Gott! Oh, mein Gott!« Lancelot schlug mit der Hand gegen die Mauer. »Glaubst du, das quält mich nicht? Er ist mein Freund! Jedem anderen Mann auf der Erde hätte ich sie schon lange weggenommen und wäre mit ihr auf meine Ländereien in der Bretagne gegangen…« Morgaine sah, wie sich seine Halsmuskeln spannten, als er versuchte zu schlucken. »Ich weiß nicht, was aus uns werden soll. Artus braucht einen Erben für sein Reich. Das Schicksal Britanniens ist wichtiger als unsere Liebe. Ich liebe sie beide, Morgaine… und das ist eine Folter, eine qualvolle Folter!« Er starrte sie wild an, und einen Augenblick lang glaubte Morgaine, eine Spur Wahnsinn in seinen Augen zu sehen. Selbst später fragte sie sich immer wieder:
Hätte ich in dieser Nacht irgend etwas, irgend etwas sagen oder tun können?
»Morgen«, sagte Lancelot, »werde ich Artus bitten, mir eine schwierige Aufgabe zu stellen… vielleicht Pellinores Drachen zu töten, oder die wilden Nordmänner jenseits der Römischen Mauer zu besiegen… ganz gleich was, Morgaine, mir ist alles recht, um diesem Hof zu entrinnen…« In seiner Stimme lag eine Trauer, für die es keine Tränen mehr gab, und Morgaine wollte ihn in die Arme nehmen und wie ein kleines Kind an ihrer Brust wiegen. »Ich habe mich schuldig gemacht, Morgaine, wie
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