Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
kein anderer Mann… Weshalb kann ich dir das sagen?«
»Vielleicht«, antwortete sie, »weil du mich für eine schlechte Frau hältst.«
»Nein, nein. Ich glaube, ich hätte Gawain heute abend umgebracht, wenn du uns nicht getrennt hättest«, sagte Lancelot. »Er hat zwar nur Spaß gemacht, aber er würde vor Entsetzen sterben, wenn er wüßte…« Lancelot wendete den Blick ab und sagte flüsternd: »Ich weiß nicht, ob das, was er gesagt hat, wahr ist. Ich sollte den Hof verlassen und Gwenhwyfar mitnehmen, ehe der Skandal an allen Höfen bekannt wird. Ich liebe die Gemahlin meines Königs, und doch… ist es Artus, den ich nicht verlassen kann… Ich weiß nicht, vielleicht liebe ich sie nur, weil ich so
ihm
nahe bin.« Morgaine machte eine abwehrende Geste, um ihn zu unterbrechen. Es gab Dinge, die zu wissen sie nicht ertragen konnte. Aber Lancelot bemerkte es nicht einmal.
»Ich muß mit jemandem darüber sprechen, oder ich werde daran sterben… Morgaine, weißt du, wie es dazu kam, daß ich zum ersten Mal mit der Königin schlief? Ich liebe Gwenhwyfar, seit ich sie zum ersten Mal in Avalon gesehen habe. Aber ich dachte, ich würde mit meiner ungestillten Leidenschaft leben und sterben müssen… denn Artus ist mein Freund, und ich kann ihn nicht betrügen… Und sie… sie… du darfst nicht glauben, daß sie mich verführt hat. Aber… es war Artus' Wille«, bekannte er. »Es geschah an Beltane…«
Morgaine hörte ihm wie erstarrt zu und hatte nur einen Gedanken: So
also hat der Zauber gewirkt… Hätte die Göttin mich doch mit Aussatz geschlagen, ehe ich Gwenhwyfar das Amulett gab!
»Aber du weißt noch nicht alles«, flüsterte Lancelot. »Als wir zusammenlagen … niemals, niemals war etwas so… so…« Er schluckte und rang nach Worten, um auszusprechen, was Morgaine nicht hören wollte. »… Ich… ich berührte Artus… Ich berührte ihn. Ich liebe sie, o Gott, verstehe mich nicht falsch, ich liebe sie. Aber wenn sie nicht Artus' Frau wäre, es wäre nicht… Ich bezweifle, daß selbst
sie
…« Die Stimme versagte ihm, und er konnte nicht weitersprechen.
Morgaine hörte erschüttert zu; auch ihr fehlten die Worte. War dies die Rache der Göttin…? Sie liebte diesen Mann hoffnungslos, und nun mußte sie seine Vertraute und die Vertraute der Frau werden, die er liebte. Sie mußte Mitwisserin all seiner geheimen Ängste werden, über die er mit niemandem sprechen konnte, die Vertraute der unfaßbaren Leidenschaften seiner Seele. »Lancelot, du solltest nicht mit mir über diese Dinge sprechen, nicht mit mir. Sprich mit einem Mann darüber… mit Taliesin… oder einem Christenpriester…«
»Was kann ein Kirchenmann davon schon verstehen?« fragte er verzweifelt. »Ich glaube, kein Mann hat je so etwas erlebt… Ich höre weiß Gott oft genug, wonach Männer sich sehnen. Sie reden von nichts anderem. Hin und wieder gesteht ein Mann ein absonderliches Verlangen, aber niemals, niemals etwas so Furchtbares und Seltsames! Ich bin
verdammtl Es
ist die Strafe dafür, daß ich die Gemahlin meines Königs begehre… deshalb erleide ich diese Folterqualen. Wenn Artus es wüßte, würde auch er mich hassen und verachten. Er weiß, daß ich Gwenhwyfar liebe. Aber
das
könnte er mir nie vergeben. Und Gwenhwyfar… wahrscheinlich würde sie mich ebenfalls hassen und verachten…« Er schwieg.
Morgaine konnte nur die Worte sprechen, die sie in Avalon gelernt hatte. »Die Göttin kennt die Herzen der Menschen, Lancelot. Sie wird dich trösten.«
»Aber damit verachte ich auch die Göttin«, flüsterte Lancelot starr vor Entsetzen. »Und was wird aus dem Mann, der die Göttin in der Mutter sieht, die ihn gebar…? An
sie
kann ich mich nicht wenden … Ich bin nahe daran, mich Christus zu Füßen zu werfen. Seine Priester sagen, sie können jede Sünde vergeben, wie verdammenswürdig sie auch sein mag. Denn er vergab selbst jenen, die ihn kreuzigten…«
Morgaine entgegnete schneidend, sie habe keinerlei Anzeichen bemerkt, daß die Priester den Sündern sanftmütig vergeben. »Ja, du hast recht«, erwiderte Lancelot und starrte mit leerem Blick auf die Pflastersteine. »Ich kann nirgends Hilfe finden. Ich muß in die Schlacht reiten oder mich einem Drachen stellen…« Er stieß mit dem Schuh gegen ein Grasbüschel, das zwischen den Steinen wuchs. »Und sicher ist das ganze Gerede von Sünde, von Gut und Böse nur eine Lüge, eine Erfindung von Priestern und Menschen. In Wirklichkeit leben, sterben und
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