Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
bekreuzigte sich.
Morgaine nickte. »Und ich schwöre, daß sie für mich die Tochter sein soll, die ich der Göttin nie schenken werde, und sie wird ein großes Unrecht sühnen…«
Elaine blinzelte: »Ein großes Unrecht… wovon sprichst du, Morgaine?«
Morgaine schwankte, die dröhnende Stille zerbrach. Morgaine hörte den Regen vor den Fenstern und spürte die Kälte in der Kammer. Stirnrunzelnd sagte sie: »Ich weiß es nicht… ich war mit meinen Gedanken woanders. Elaine, hier können wir das nicht tun. Du mußt um Erlaubnis bitten, deinen Vater besuchen zu dürfen. Du mußt dafür sorgen, daß man mich bittet, dich zu begleiten. Ich werde veranlassen, daß Lancelot dorthin kommt.« Sie holte tief Luft, wandte sich der Truhe zu und nahm ihr Gewand heraus. »Inzwischen hatte Lancelot wohl Zeit genug, das Gemach der Königin zu verlassen. Gwenhwyfar wird uns bestimmt schon erwarten.«
Und tatsächlich, als Morgaine und Elaine das Gemach der Königin betraten, war weder von Lancelot noch von einem anderen Mann auch nur das geringste zu sehen. Aber als Elaine einen Augenblick außer Hörweite war, trafen sich Gwenhwyfars und Morgaines Augen. Artus' Schwester glaubte noch nie eine solch abgrundtiefe Bitterkeit gesehen zu haben.
»Du verachtest mich, Morgaine, nicht wahr?«
Zum ersten Mal,
dachte Morgaine,
hat sie die Frage gestellt, die ihr seit Wochen nicht aus dem Kopf geht.
Eine scharfe Antwort lag ihr auf den Lippen.
Wenn es so ist, liegt es dann nicht daran, daß du mich zuerst verachtet hast?
Aber sie sagte so freundlich wie möglich: »Ich nehme dir nicht die Beichte ab, Gwenhwyfar. Und du, nicht ich, glaubst an einen Gott, der dich verdammt, weil du das Bett mit einem Mann teilst, der nicht dein Gemahl ist. Meine Göttin ist zu Frauen freundlicher.«
»Er hätte es werden sollen«, brach es aus Gwenhwyfar heraus. Aber sie nahm sich zusammen und sagte: »Artus ist dein Bruder und in deinen Augen ohne Fehl und Tadel…«
»Das habe ich nicht gesagt«, Morgaine sah das unsägliche Leid in Gwenhwyfars Augen und konnte es nicht ertragen. »Gwenhwyfar, meine Schwester, niemand klagt dich an…«
Die Königin aber wandte sich ab und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Nein, Morgaine, dein Mitleid will ich auch nicht.«
Ob du es willst oder nicht, du hast es,
Morgaine sprach ihre Gedanken aber nicht aus. Sie war keine Heilerin, die alte Wunden öffnete und zum Bluten brachte. »Möchtest du jetzt frühstücken, Gwenhwyfar? Was willst du essen?«
Seit es keinen Krieg mehr gibt, werde ich an diesem Hof mehr und mehr zu ihrer Dienerin, als sei sie höhergestellt als ich.
Ohne Leidenschaft dachte Morgaine, es ist ein Spiel, das sie alle miteinander trieben. Und sie verübelte es Gwenhwyfar nicht. Aber es gab in diesem Reich Frauen, die sich gewehrt hätten. Und es gefiel ihr nicht, daß Artus es so einfach hinnahm. Jetzt gab es keine Kriege mehr, und der Bruder setzte voraus, daß seine Ritter und Gefährten ihm wie Diener zur Verfügung standen, auch wenn sie selbst Könige oder von hohem Stand waren. In Avalon hatte sie bereitwillig Viviane gedient.
Die Herrin vom See war die Verkörperung der Großen Mutter. Ihre Weisheit und ihre Zauberkräfte machten sie fast übermenschlich. Aber Morgaine wußte, daß dieselben Kräfte auch ihr zur Verfügung standen, wenn sie nur ernsthaft daran arbeitete, sie zu beherrschen.
Wenn sie die Macht der Göttin übernahm, würde auch der Tag kommen, an dem man ihr die gebührende Verehrung entgegenbrachte. Aber dem Herrscher über ein Land oder seiner Gemahlin stand solche Macht nur in schlimmen Zeiten, nur im Krieg zu. Und es ärgerte Morgaine, daß Artus einen solchen Hof hielt, und sich eine Macht erlaubte, die nur den größten Druiden und Priesterinnen vorbehalten sein sollte.
Artus trägt immer noch Excalibur an seiner Seite, das Schwert von Avalon. Und wenn er den Schwur nicht hält, wird Avalon es von ihm zurückfordern!
Der Raum um Morgaine schien in Schweigen zu versinken und sich auszudehnen, als sei alles weit weg. Sie sah Gwenhwyfar, die zum Sprechen ansetzte, aber gleichzeitig schien sie durch die Königin hindurchzusehen, als sei sie im Reich der Feen. Alles schien gleichzeitig fern, klein und bedrohlich groß. In ihrem Kopf herrschte tiefe Stille. In diesem Schweigen sah sie ein kleines hölzernes Rundhaus.
Artus schlief darin, und Excalibur ruhte in seiner Hand. Sie beugte sich über ihn… sie konnte das Schwert nicht an sich nehmen. Aber sie
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