Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Wein trank; sie hätte ihn sonst nicht wecken können. Pellinore erhob sich ungläubig und griff nach einer Tunika. Er befahl die Frauen seiner Tochter zu sich. Morgaine hatte den Eindruck, daß sie ihnen so geräuschlos wie ein sich windender Drache die Stufen hinunter und vor die Burg folgten. Sie und Pellinore an der Spitze bildeten den Kopf des Untiers. Morgaine schlug den seidenen Vorhang des Pavillons zurück und hob die Fackel über ihren Kopf. Mit grausamem Triumph betrachtete sie Pellinores wutverzerrtes Gesicht. Elaine hatte die Arme um Lancelots Hals geschlungen und lächelte selig. Der Ritter erwachte, blickte sich entsetzt und begreifend um. Aus seinem Gesicht sprach deutlich der Schmerz über den Verrat. Aber er sagte kein Wort.
Pellinore tobte: »Das wirst du büßen, du schamloser Lüstling. Du hast meine Tochter entehrt…«
Lancelot vergrub das Gesicht in seinen Händen und antwortete gepreßt: »Ich werde… alles wiedergutmachen… mein Herr und mein
König.« Dann hob er den Kopf und sah Morgaine in die Augen. Sie wich seinem Blick nicht aus, aber es war, als stoße er ihr ein Schwert durch den Leib. Bislang hatte er sie wenigstens als seine Verwandte geliebt…
Auch gut. Vielleicht war es besser, er haßte sie. Sie würde versuchen, ihn ebenfalls zu hassen. Aber beim Anblick Elaines, die trotz ihrer Schande lächelte, wollte sie lieber weinen und alle bitten, ihr zu vergeben.
Morgaine erzählt…
Lancelot und Elaine heirateten am Transfigurationsfest. An die Hochzeit erinnere ich mich kaum, nur noch an Elaines strahlendes, glückliches Gesicht. Als Pellinore alles für das Fest vorbereitet hatte, wußten sie
bereits, daß sie Lancelots Sohn trug. Lancelot wirkte hager, gequält und verzweifelt, aber er war zärtlich zu Elaine und stolz auf ihren schwellenden Leib. Ich erinnere mich auch an Gwenhwyfar. Ihr Gesicht war vom vielen Weinen gezeichnet, und sie warf mir einen Blick voll unauslöschlichem Haß zu. »Kannst du beschwören, daß dies nicht dein Werk ist, Morgaine?« Ich blickte ihr fest in die Augen.
»Mißgönnst du deiner Nichte einen Gemahl, obwohl du doch selbst einen hast?«
Sie wußte nichts zu erwidern und senkte den Blick. Und wieder sagte ich verbissen zu mir:
Wären sie und Lancelot meinem Bruder Artus gegenüber doch ehrlich gewesen. Wären sie doch zusammen vom Hof geflohen, um jenseits der Grenzen von Artus' Reich zu leben, hätte der Großkönig eine andere Gemahlin nehmen können, die dem Reich einen Erben geschenkt hätte… dann würde ich nicht eingegriffen haben!
Von diesem Tag an haßte mich Gwenhwyfar, und das bedauerte ich am meisten. Denn auf eine merkwürdige Weise hatte ich sie geliebt. Ihre Nichte Elaine schien Gwenhwyfar nicht zu hassen. Sie ließ ihr bei der Geburt des ersten Sohnes ein kostbares Geschenk und einen silbernen Becher überbringen. Elaine ließ den Jungen auf den Namen Galahad taufen – nach seinem Vater.
Gwenhwyfar wurde auf eigenen Wunsch seine Patin und schwor, er würde Thronerbe sein, wenn sie Artus keinen Sohn schenkte. Im Laufe dieses Jahres verkündete Gwenhwyfar tatsächlich wieder, sie sei schwanger. Aber sie gebar kein Kind, und ich glaube, es war nur ihr Wunsch nach einem Sohn und ihre Einbildung.
Die Ehe war nicht schlechter als andere. Artus führte in diesem Jahr Krieg an der Nordgrenze, und Lancelot war kaum zu Hause. Wie so viele Ehemänner kehrte er nur zwei- oder dreimal im Jahr von seinen Kriegszügen zurück, um sich um sein Lehen zu kümmern – Pellinore hatte den beiden eine Burg in der Nähe geschenkt. Er nahm die neuen Mäntel und Hemden entgegen, die Elaine für ihn gewebt und bestickt hatte, denn nach seiner Hochzeit kleidete Lancelot sich immer so kostbar wie der König selbst. Er küßte seinen Sohn, später auch seine Töchter, schlief ein- oder zweimal mit seiner Gemahlin und verschwand wieder.
Elaine wirkte immer glücklich. Ich fand nie heraus, ob sie es tatsächlich war, oder zu den Frauen gehörte, die ihr Glück am Herd und bei ihren Kindern finden, oder ob sie sich nach mehr sehnte, sich aber tapfer an ihren Teil der Abmachung hielt… Ich blieb noch zwei weitere Jahre am Hof. Und dann, am Pfingstfest des zweiten Jahres, als Elaine wieder schwanger war, bekam Gwenhwyfar Gelegenheit zur Rache.
7
Wie in jedem Jahr war Pfingsten auch diesmal König Artus' großes Fest. Gwenhwyfar war schon seit dem Morgengrauen auf den Füßen. An diesem Tag würden alle Ritter an den Hof kommen, die an Artus'
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