Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
dich von deiner Sünde befreist.«
Die Stimme versagte ihr, und sie fing an heftig zu weinen. Artus legte den Arm um sie, und ihr Kopf ruhte an seiner Schulter. Sanft fragte er: »Glaubst du das wirklich, meine Königin?«
Gwenhwyfar erinnerte sich: So hatte er schon einmal mit ihr gesprochen. Damals, als er sich zunächst geweigert hatte, das Banner der Jungfrau in die Schlacht zu tragen. Sie war siegreich gewesen über seinen Starrsinn, hatte ihn zu Christus geführt, und Gott hatte ihn die Sachsen besiegen lassen. Aber damals wußte sie nicht, daß diese ungebeichtete Sünde auf Artus' Seele lastete. Sie nickte und hörte ihn seufzen.
»Dann habe ich auch dir Unrecht getan, und ich muß es wiedergutmachen. Aber ich kann nicht glauben, daß es richtig ist, Morgaine dafür der Schande auszuliefern.«
»Morgaine, Morgaine, immer nur Morgaine«, fauchte Gwenhwyfar glühend vor Zorn. »Du willst nicht, daß sie leidet… in deinen Augen ist sie stets vollkommen! Sage mir, ist es gerecht, daß ich für die Sünde leide, die ihr begangen habt? Liebst du sie soviel mehr als mich? Willst du zulassen, daß ich mein Leben lang kinderlos bleibe, nur damit diese Sünde geheimgehalten werden kann?«
»Selbst wenn ich Unrecht getan habe, meine Gwen, Morgaine ist ohne Schuld…«
»Nein, das ist sie eben nicht«, zischte Gwenhwyfar. »Sie hängt der Alten Göttin an. Die Priester sagen, diese Göttin ist eine böse Schlange, die Gott, unser Herr, aus dem Paradies vertreiben mußte! Selbst jetzt läßt Morgaine nicht von ihren schmutzigen heidnischen Gebräuchen… O ja, Gott sagt uns, daß die Heiden, die sein Wort noch nie gehört haben, vielleicht gerettet werden können. Aber Morgaine wuchs in einem christlichen Haus auf und wendete sich den teuflischen Zaubereien von Avalon zu. All die Jahre hat sie am Hof das Wort Christi vernommen. Sagt man nicht, daß alle, die sein Wort hören, ohne Buße zu tun und an ihn glauben, wirklich verdammt werden? Und wir Frauen müssen ganz besonders büßen. Denn durch ein Weib kam die Sünde in die Welt…« Gwenhwyfar wurde von einem trockenen Schluchzen geschüttelt. Sie konnte kaum mehr sprechen.
Nach einer Weile fragte Artus: »Was soll ich nur tun, Gwenhwyfar, was möchtest du?«
»Heute begehen wir das heilige Pfingstfest«, erwiderte sie stockend und trocknete ihre Tränen. »An diesem Tag kam der Heilige Geist über die Menschen. Willst du zum Gottesdienst gehen und das heilige Sakrament empfangen mit dieser großen Sünde, die auf deiner Seele lastet?«
»Ich glaube… ich glaube, das kann ich nicht«, antwortete Artus gebrochen. »Wenn du das wirklich glaubst, Gwenhwyfar, werde ich es dir nicht verweigern. Ich will bereuen, soweit ich ein Tun bereuen kann, das ich nicht für Sünde halte, und werde jede Buße annehmen, die der Bischof mir auferlegt.« Sein dünnes Lächeln wirkte gequält. »Ich hoffe um deinetwillen, meine Liebe, daß du mit dem, was du meinst, daß es Gottes Wille sei, recht behalten mögest.«
Gwenhwyfar durchlebte einen Augenblick der niederschmetternden Furcht und des Zweifels, als sie die Arme um Artus legte und aus Dankbarkeit heftig zu weinen begann. Sie erinnerte sich an den Tag bei Meleagrant. Damals hatte sie erfahren, daß Gebete sie nicht retten konnten. Gott belohnte sie nicht für ihre Tugend. Und als Lancelot kam, hatte sie sich geschworen, ihre Liebe nie mehr zu verbergen oder zu bereuen, weil ein Gott, der ihre Tugend nicht belohnte, ganz sicher ihre Sünde nicht bestrafen würde. Gott kümmerte sich so oder so nicht um die Menschen…
Aber Gott hatte sie bestraft. Der Herr nahm ihr Lancelot und gab ihn Elaine. Sie setzte ihre Seele wieder und wieder aufs Spiel, aber gewonnen hatte sie nichts…
Gott strafte trotz Beichte und Buße. Jetzt wußte sie, daß es vielleicht nicht nur ihre Schuld war, denn sie trug auch die Last von Artus' Sünde… der Sünde, die er mit seiner Schwester begangen hatte. Wenn beide wieder reinen Herzens waren, und der König für seinen Frevel in
Demut Buße tat, würde Gott auch ihm vergeben… Artus küßte Gwenhwyfar auf die Stirn und streichelte ihr über das Haar.
Dann löste er sich von ihr. Ohne seine Umarmung fühlte sie sich kalt und verloren, als sei sie nicht von schützenden Mauern umgeben, sondern stehe draußen unter dem unendlichen offenen Himmel, der sie durch seine riesige Weite mit Grauen und Entsetzen erfüllte.
Gwenhwyfar wollte sich wieder in Artus' schützende Arme flüchten. Doch der
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