Avalons böse Schwestern
weg! Du mußt weg! Die innere Stimme war nicht mehr zu überhören. Iris durfte jetzt nicht mehr an ihren Freund Randy denken, den es nicht mehr gab. Sie mußte so schnell wie möglich diesen Ort des Grauens verlassen.
Sie ging zurück.
Es klappte, und als Yodana den Kopf hob, da hatte sie schon mehrere Schritte zurückgelegt. Das merkte auch die Arme. Sie stierte Iris an!
In diesem Augenblick reagierte sie genau richtig. Auf dem Absatz warf sie sich herum, und mit den folgenden Sprüngen hatte sie Mauerwerk zwischen sich und die Erscheinung gebracht.
Weg – nur weg!
Sie floh, sie rannte. Sie schrie und weinte dabei. Sie merkte nicht, wohin sie lief, und ihre schrillen Laute hallten wie das Gebrüll lebender Toter durch die Dunkelheit.
Yodana aber kümmerte sich nicht mehr um sie. Die Fremde war bereits vergessen.
Sie machte sich auf die Suche nach ihrem Geliebten.
Eine schöne und blasse Frau durchwanderte wenig später die Dunkelheit und kam mit jedem Schritt ihrem eigentlichen Ziel näher…
***
Wir waren wieder in Glastonbury, und ich spürte sofort die andere Atmosphäre, die diesen Ort so einmalig, aber auch so unheimlich zugleich machte.
Hier war alles anders.
Glastonbury konnte als Grenzstation zwischen dem Jetzt und dem Niemandsland oder Geisterreich angesehen werden. Wer sensibel war, merkte dies augenblicklich, und es gab viele Menschen, die nach Glastonbury wanderten, um zu meditieren, weil sie hofften, daß ihnen anschließend ein Blick in die andere Welt gestattet wurde.
Suko und ich waren ausgestiegen. Wir hatten nahe des Pfarrhauses geparkt, denn Ingles, der Pfarrer, war ein alter Bekannter von mir. Noch wußte er nicht Bescheid, daß wir kamen. Er würde große Augen bekommen, wenn er uns entdeckte.
Schon beim Schließen der Tür hatte Suko die Nase gerümpft. »Es riecht«, sagte er nur.
Ich hob die Schultern. »Torf, verbrannter Torf. Er wird hier noch immer abgebaut.«
»Klar, ich erinnere mich.«
In der Luft lag ein ständiger Nebel. Wie ein feines Gespinst breitete er sich aus und bedeckte die braunen Dächer der Häuser sowie auch die Bäume, Sträucher und den dunkel wirkenden Rasen. Ständig roch es nach altem Wasser, nach Vergänglichkeit, denn der Sumpf war nicht weit entfernt. In ihn hinein führten Schienen, auf denen kleine Loren fuhren. Hier bauten die Menschen den Torf noch mit den eigenen Händen ab, Bagger waren in Glastonbury nicht zu sehen.
Wahrscheinlich befanden sich die meisten Bewohner im Torf, deshalb hatte Glastonbury auch wie leergefegt gewirkt. Selbst die Kirche mit dem alten Turm sah so aus, als wäre sie aus der Vergangenheit vergessen worden.
Als Suko die Tür des Pfarrhauses betrachtete, lächelte er. »Dein Freund wird Augen machen.«
»Das kannst du sagen.«
»Aber mitnehmen willst du ihn nicht?«
»Wohin?«
»Zum Tor nach Aibon.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es wird auch für mich verschlossen sein, denke ich. Der Dunkle Gral befindet sich nicht mehr in meinem Besitz, und ob Nadine noch einmal erscheint, um uns den Weg in das andere Reich zu ebnen, ist fraglich.«
»Wenn Gefahr droht, sollte sie uns eigentlich nicht im Stich lassen, meine ich.«
»Recht hast du. Aber lehre du mich die Regeln der Nebelinsel kennen. Ich bin überfragt.«
Wir hatten natürlich versucht, das große Steintor auf dem Grabhügel zu Gesicht zu bekommen. Das war heute nicht möglich, denn die dünnen Dunstschleier hielten es umwickelt wie Garn. Wir waren auch an den Ruinen der alten Abtei von Glastonbury vorbeigefahren, ohne etwas entdeckt zu haben.
Nur die bedrückende Stille dieser einmaligen Landschaft hatte uns umgeben. Es war früher Abend. Suko hatte mächtig auf die Tube gedrückt. Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde noch Zeit vergehen.
Ich hoffte, daß wir sie nutzen konnten.
Die kleinen Fenster des Pfarrhauses waren von innen durch Gardinen verhängt. Hineinschauen konnten wir nicht. Man hatte uns bereits gesehen, denn ehe ich an die Tür klopfen konnte, wurde sie bereits geöffnet, allerdings nur so weit wie es die Kette zuließ.
Durch den Spalt schaute mir ein Gesicht entgegen. Es gehörte nicht dem Pfarrer, sondern einer Frau in den älteren Jahren. Ich schätzte sie auf sechzig und darüber. Sie trug auch im Haus ein Kopftuch oder hatte gerade ausgehen wollen.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?« Die Begrüßung klang nicht eben freundlich, was mich nicht daran hinderte, die alte Dame anzulächeln.
»Wir hätten gern den Pfarrer
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