Avalons böse Schwestern
war ein Loch in der Erde, ein mächtiges Loch sogar. An den Rändern nicht glatt, sondern aufgerissen und ziemlich gezackt, so daß der Vergleich mit einer Spiegelscherbe zutraf.
»Was sagst du, John?«
Ich hob die Schultern. »Hat hier jemand gegraben?«
Mein Freund schüttelte den Kopf. »Danach sieht es nicht aus. Das Gegenteil ist der Fall, denke ich mal. Es muß jemand aus der Erde hervorgekommen sein. Er hat sich regelrecht in die Höhe gewühlt. Wer immer das auch war, ein Mensch kann es bestimmt nicht gewesen sein. Auch nicht zwei oder drei.«
Ich beugte mich nach vorn. Die Hände legte ich flach auf die Oberschenkel. Sehr genau besah ich mir die Öffnung und kam letztendlich zu dem Entschluß, daß sich Suko nicht geirrt hatte. Diese trichterförmige Öffnung sah tatsächlich so aus, als wäre sie von unten her geschaffen worden. Nur hatte ich keine Erklärung.
Ich richtete mich wieder auf, schaute Suko an, der ebenso ratlos wirkte wie ich.
»Nichts?« fragte er.
»So ist es.«
»Frage. Was könnte es denn sein?«
»Ich kann dir sagen, was es nicht ist. Ich glaube nicht, daß die drei Frauen aus der Tiefe der Erde an die Oberfläche gekrochen sind. Nein, das muß eine andere Bedeutung haben.«
»Wer könnte es dann gewesen sein?«
»Im Raten war ich nie gut, aber erinnere dich mal an die Worte des Pfarrers. Er hat das Böse gespürt, aber er hat es nicht so direkt mit den drei Frauen in Verbindung gebracht, wie wir es taten. Er dachte da an etwas anderes.«
»Das Böse, die Schlange, John.« Er verengte seine Augen. »Oder soll ich sagen, der Teufel?«
»Nein, die Schlange reicht.«
»Sie kam aus der Erde. Sie hat sich immer versteckt gehalten. Sie ist einmal in den Staub getreten worden, als der Erzengel Michael sie besiegte, sie war dazu verflucht, sich nur am Boden kriechend bewegen zu können, und sie hat sich die entsprechenden Verstecke gesucht, auch in der Erde.«
»Alles richtig.«
»Was stört dich trotzdem?«
Ich strich über mein Kinn, weil ich Zeit brauchte, die beste Formulierung zu finden. »Mich stört, das gebe ich gern zu, eigentlich die Verbindung der Schlange zu den drei Frauen.«
»Komisch ausgedrückt.«
»Okay, ja. Ich sage es anders. Was hat die Schlange, das Böse, mit den dreien zu tun? Schon damals, als sie verflucht wurden? Oder erst später, als sie in der Verbannung existierten und nach einer Chance suchten, ihr zu entkommen.«
»Ich tippe eher auf die letzte Möglichkeit. Sie werden sich einen Verbündeten gesucht haben. Meinetwegen den Teufel, und er kam ihnen in der Gestalt der Schlange doch sehr entgegen. Er will zeigen, daß das Urböse existiert und daß es möglicherweise durch ihn wieder mächtig geworden ist. Daß es auch andere Verbindungen eingehen kann, über die wir sonst nie nachgedacht haben.«
»Asmodis als Schlange«, murmelte ich.
»Ist das so unwahrscheinlich?«
»Nein, wie wir ihn kennen, nimmt er jede Gestalt an. Es gefällt mir nur nicht, daß er sich einmischt. Er wird die verdammten Furien noch stärker gemacht haben.«
»Irgendwann einmal möchte ich sie auch zu Gesicht bekommen«, sagte Suko. »Bisher theoretisieren wir nur mehr herum. Ich bin allmählich sauer geworden.«
»Okay, laß uns gehen.« Ich drehte mich um und ging bereits voraus.
Hinter mir hörte ich Sukos hastige Tritte. »Wo willst du denn hin, Alter? Das hat sich zielstrebig angehört.«
Ich verließ durch das Fensterloch in der Wand die Abtei. »Die Schlange suchen und damit auch die drei Weiber.«
»Hast du eine Idee?«
Nein, die hatte ich nicht. Oder keine gute. Es war mehr Spekulation.
»Wohin werden sie sich wenden?«
»Avalon – das Tor.«
»Eben.«
Suko öffnete bereits die Wagentür. Er setzte sich jetzt auf den Fahrersitz. »Rein mit dir, die Strecke habe ich mir gemerkt. Das packen wir schon.«
Wenig später hatte er Gas gegeben. Diesmal fuhren wir schneller.
Unterwegs begegneten uns einige Arbeiter, die aus dem Torf kamen. Sie sprangen erschreckt zur Seite, als wir dicht an ihnen vorbeifuhren. Im Rückspiegel sah ich, wie sie hinter uns herschimpften.
Suko stoppte heftig.
Ich wurde nach vom in den Gurt gedrückt, löste ihn und stieg aus.
Es war ein idealer Platz. Nah und doch fern sahen wir den Hügel mit dem mächtigen Tor auf seiner flachen Kuppe.
Wir sahen auch die breiten Stufen, doch niemand bewegte sich darüber hinweg, ausgenommen einige dunkle Vögel, die in der Luft ihre Kreise zogen.
»Leer«, flüsterte Suko,
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