Avalons böse Schwestern
das spielte wohl in diesem Fall keine Rolle.
Die Schräglage der Böschung wurde mir auf die Dauer unbequem. Ich wollte es mir gemütlich machen und setzte mich deshalb hin. Eine genaue Zeit hatte mir Nadine nicht angegeben, ich sollte nur bei Einbruch der Dunkelheit auf sie warten.
Das tat ich.
Ich war allein, ich konnte meine Gedanken auf Wanderschaft gehen lassen, doch ich hatte die innerliche Ruhe nicht gefunden und kam mir auch nach weiteren Minuten der Warterei noch immer wie ein Fremdkörper vor. Ich war in diesen Kreislauf nicht eingebettet, obwohl der Teich lebte.
Nur beim ersten Hinsehen lag die Wasserfläche ruhig wie ein Spiegel.
Schaute man genauer hin, dann waren auch die Insekten zu sehen, die winzigen Wellen der Wasserläufer. Die Frösche hatten sich aus ihren Verstecken getraut, um nach Beute zu schnappen.
Hin und wieder pitschte und klatschte es. Im Unterholz ertönte manchmal ein Rascheln, das mich nicht weiter störte, weil es hier von lebenden Tieren verursacht wurde.
Ich wartete also ab.
An eine Lüge konnte ich nicht glauben. Das traute ich Nadine Berger einfach nicht zu. Wenn ich recht darüber nachdachte, wunderte es mich noch immer, daß sie sich Avalon als neue Heimat ausgesucht hatte. Man mußte wohl ihr Schicksal gehabt haben, um dies alles begreifen zu können.
Die Nacht war ziemlich warm. Zudem wehte kaum ein Lüftchen, ich kam mir vor wie eingekesselt und spürte auch die Schweißperlen, die in Bahnen an meinem Gesicht entlang nach unten rannen.
Alles war anders, dichter, auf das Wesentliche reduziert. Dieser Teich mit den Bäumen hätte auch in einer anderen Welt liegen können, und nichts hätte sich verändert.
Zudem war ich abgeschnitten von jeglichem Verkehrslärm. Mich umgab – von den üblichen Geräuschen abgesehen – ein nahezu bedrückendes Schweigen. Eine kompackte Stille, auch irgendwie lauernd, als sollte sie jeden Augenblick durchbrochen werden.
Da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich auf der Oberfläche des Teichs ein schwaches Muster. Die Zweige und Äste der Pappeln spiegelten sich darin.
Für mich wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn sich diese Fläche plötzlich aus der Tiefe her geöffnet hätte und Nadine Berger erschienen wäre.
Sie aber hielt sich zurück. Kein Geist tauchte aus dem Wasser auf, kein Gesicht zeigte sich märchenhaft schimmernd auf der Oberfläche, die gesamte Szenerie blieb gleich, und dennoch fühlte ich mich aus dem Unsichtbaren hervor beobachtet.
Zahlreiche Augen, dunkel wie die Nacht und versteckt im Unterholz oder in den Büschen, schauten mich an. Blicke bohrten sich von verschiedenen Seiten her gegen meinen Körper. Manchmal huschten auch längliche Schatten dicht unter der Oberfläche entlang. Es waren hungrige Fische, die aus der Tiefe des Teichs an die Oberfläche stiegen, wo sie hin und wieder nach einem Insekt schnappten.
Mein Blick glitt zur gegenüberliegenden Seite. Sie war dunkel.
Verschiedene Schwarz- und Grautöne flossen ineinander und bildeten ein regelrechtes Spinnennetz, hinter dem sich kein noch so schwacher Umriß eines Gesichts verbarg.
Nadine blieb vorerst unsichtbar.
Ich hatte nicht mal mit Suko über meinen nächtlichen Ausflug gesprochen. Nadine hatte gewollt, daß wir allein blieben. Sie schien immer noch an das Band zu glauben, das wir einmal vor langer Zeit umfaßt gehalten hatten.
Sie war einmal meine Geliebte gewesen, dann aber hatte man sie mir weggenommen. Der Götterwolf Fenries hatte sie in eine Wölfin mit der Seele eines Menschen verwandelt, und sehr lange hatte sie bei den Conollys gewohnt, wobei sie eine Beschützerin für deren Sohn Johnny gewesen war.
Das alles lag hinter uns. Es war Zeit vergangen, es hatte sich einiges geändert, auch ich war beruflich in neue Dimensionen vorgestoßen. Mir waren die Kreaturen der Finsternis begegnet, ich hatte ziemlichen Ärger mit den Urdämonen erlebt, und zahlreiche Spuren hatten auch auf Luzifer hingewiesen.
Sie kam noch immer nicht.
Allmählich gefiel mir meine sitzende Position auch nicht. Ich streckte die Beine aus, damit sie nicht einschliefen, bewegte die Zehen in den Schuhen und dachte bereits darüber nach, wieviel Zeit ich der guten Nadine noch geben sollte.
Die ganze Nacht über würde ich nicht warten, das stand fest. Mitternacht war erst in zwei Stunden, bis dahin konnte noch viel geschehen.
Normalerweise wäre ich auch um den Teich herumgegangen, doch Nadine hatte mich darum gebeten, an einer
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