Avalons Geisterschiff
Erinnere dich an jede Einzelheit. Du musst wissen, dass ich dir glaube. Das habe ich immer getan, und davon rücke ich auch jetzt nicht ab.«
Carlotta war froh, dass Maxine ihr auf diese Weise entgegenkam. Dadurch fiel es ihr leichter, von den Dingen zu berichten, die sie selbst kaum glauben konnte, obwohl sie im Mittelpunkt des Geschehens gestanden hatte.
Beide hatten sie schon einiges erlebt. Nicht immer hatten diese Vorgänge rational erklärt werden können. So war auch Carlotta ein Geschöpf, das einmalig war. Entstanden aus einem Gen-Experiment, das in einem geheimen Forschungslabor durchgeführt worden war.
Carlotta war es gelungen, die Flucht zu ergreifen, und sie war eigentlich mehr durch Zufall mit der Tierärztin Maxine Wells zusammengetroffen, die sich um das verlassene Kind wie eine zweite Mutter kümmerte. Beide waren mittlerweile zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Sie konnten sich gegenseitig vertrauen, und als das Vogelmädchen jetzt redete, dabei nichts ausließ, da sah Maxine Wells keinen Grund, ihm nicht zu glauben.
»Ja, so ist das gewesen, Maxine. Jetzt weißt du alles. Ich habe das Schiff gesehen. Ich bin auch an Bord gewesen. Aber ich weiß noch immer nicht, ob es ein richtiges Schiff war.«
Maxine strich ihrer Ziehtochter über das Haar. »Ich glaube, dass du mir die Wahrheit erzählt hast. So etwas kann man sich zwar ausdenken, aber welch einen Grund solltest du gehabt haben?«
»Eben.«
Maxine dachte nach. Dann stellte sie Fragen, die Einzelheiten des Schiffes betrafen. Carlotta konnte ihr nicht mehr sagen, als sie es schon zuvor getan hatte.
»Es war also ein sehr altes Schiff. Eines, wie es heute nicht mehr gebaut wird.«
Carlotta nickte.
»Obwohl du es nicht gesehen hast, muss es trotzdem irgendwo hergekommen sein.«
»Ja, Max, aber woher?«
»Das weiß ich auch nicht.« Die Tierärztin lächelte. »Wir werden abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Aber ich werde noch etwas zu meinem Text auf der Ansichtskarte hinzufügen, die ich vorhin geschrieben habe. Da möchte ich jemanden neugierig machen. Mit dem Begriff Abwarten habe ich durchaus eine längere Spanne gemeint. Kann sein, dass es auch mir vergönnt ist, das Schiff mit eigenen Augen zu sehen. Sollte zuvor etwas passieren, werde ich natürlich in London anrufen.«
Carlotta hatte in den letzten Minuten nicht gelächelt. Jetzt aber verzog sich ihr Mund in die Breite. »Du willst doch bestimmt an John Sinclair schreiben, nicht wahr?«
»Genau den meine ich...«
***
Urlaub in Schottland, und das an exponierter Stelle, am Loch Ness, wo angeblich ein Ungeheuer lebte, das die Menschen schon seit langen Jahren in seinen Bann zog.
Von London aus in diese Gegend zu reisen kam schon einem kleinen Abenteuer gleich, das Touristen gern auf sich nahmen, sich Zeit ließen und einfach nur die schottische Landschaft genossen.
Ich war kein Tourist und wollte so schnell wie möglich ans Ziel gelangen. So hatte ich über Sir James meine Beziehungen spielen lassen. Ich bekam schnell einen Flug nach Aberdeen und konnte von dort mit einem Hubschrauber in Richtung Westen fliegen. Ziel war Inverness, die wohl bekannteste Stadt am Loch Ness. Sie bildete praktisch den nördlichen Abschluss des Sees, wo der berühmte Caledonian Canal den See mit dem Meer verbindet. Da hatte man wirklich etwas Tolles gebaut, was für mich jedoch nicht wichtig war, denn ich verließ mich auf einen Leihwagen, mit dem ich in Richtung Süden fahren musste und der der Gegend angepasst war. So hatte ich mich wieder für den Range Rover entschieden.
Maxine und ich hatten einige Male telefoniert. Ich wusste jetzt, wohin ich musste, und sie hatte mir auch Einzelheiten genannt. Es ging um ein geheimnisvolles Geisterschiff, das von dem Vogelmädchen Carlotta vor einigen Tagen nach Sonnenuntergang bei einem ihrer Flüge gesehen worden war. Es war dann an den folgenden Abenden nicht mehr aufgetaucht, und so wusste ich nicht, ob es überhaupt Sinn machte, die Tierärztin mit ihrer Ziehtochter zu besuchen.
Doch auch wenn das Schiff verschwunden blieb, ich wollte Maxine trotzdem sehen, denn es lohnte sich immer. Sie war eine tolle Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben stand und sich auch nicht durch irgendwelche kaum erklärbaren Vorgänge von ihrem Weg hatte abbringen lassen.
Da das Schiff am frühen Abend erschienen war und ich meine beiden Freundinnen tagsüber erreichen würde, hatten wir noch genügend Zeit, über das Geschehen zu reden, und ich wollte mir
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