Avalons Geisterschiff
dann müssen wir Maxine noch warnen«, erklärte Cameron nachdenklich. »Wobei ich sogar mit dem Gedanken spiele, einen Rundruf zu starten, damit die Menschen in den Orten wissen, dass sie sich unter Umständen in Gefahr befinden. Ich würde ihnen dann raten, in den Häusern zu bleiben.«
»Nein, tun Sie das nicht. Es ist zunächst mal eine Sache, die allein uns etwas angeht. Beunruhigen Sie bitte niemanden. Wir werden den Fall aufklären.«
»Sind Sie auch Realist oder nur Optimist?«
»Beides.«
»Na denn – und wohin mit dem Toten?«
»Sie kennen sich hier aus. Machen Sie einen Vorschlag.«
»Leichenhäuser haben wir hier nicht. Das heißt, wir könnten ihn in die Leichenhalle eines Friedhofs legen, aber das würde wiederum auffallen. Zudem ist McLintick bekannt wie ein bunter Hund.«
»Wohin dann?«
»Es wäre vielleicht gut, wenn wir ihn kühl lagern könnten.«
»Gibt es einen solchen Ort?«
»Wenn Ihnen mit einer kleinen Erdhöhle gedient ist.«
»Immer.«
»Dann los.«
»Müssen wir weit gehen?«
»Nein, nur ein wenig bergauf. Da gibt es einen steilen Hang aus Lehm und Steinen. Ich weiß nicht, wer die Höhle dort hinterlassen hat, aber sie ist vorhanden, und sie ist auch tief genug, um die Leiche aufzunehmen.«
»Okay, packen wir es.«
Es war keine besonders angenehme Last, mit der wir uns abschleppten. Earl Cameron führte mich in einen dichten Buschgürtel hinein, der sich allerdings ausdünnte, als wir felsiges Gelände erreichten und dabei etwas klettern mussten.
Wir hielten den Toten zu zweit fest, und als mein Begleiter auf einen Spalt vor uns im Fels deutete, da wusste ich, dass wir das Ziel erreicht hatten.
Die Leiche passte hinein. Um sie vor wilden Tieren zu schützen, bedeckten wir den Eingang mit Steinen und bogen zudem die Zweige von Sträuchern zurecht.
»Da liegt er gut«, sagte Cameron. Er schaute dabei über den See. »Das war sein Revier. Das hat Clint so geliebt. Sein ganzes Leben hat er hier verbracht. Er wollte auch hier sterben, nur nicht so schnell. Damit hat er wirklich nicht rechnen können.« Er hob die Schultern und drehte sich wieder weg.
Streunte der Mörder noch hier in der Gegend herum? Das war die Frage, die mich beschäftigte. Ich ging davon aus. Er hatte sich wohl nicht auf das Geisterschiff zurückgezogen und war praktisch als Vorhut geblieben.
Wir gingen zurück zu Cameron’s Wohnwagen. Cameron brauchte auf den Schreck einen Whisky und erklärte, dass auch Clint diesem Getränk nicht abgeneigt gewesen war.
»Da haben wir so manches Mal zusammengesessen und uns einen hinter die Binde gekippt. Einmal waren wir so blau, dass wir sogar glaubten, Nessie zu sehen. Aber das war nur Einbildung.« Er hob sein Glas und leerte es mit einem Zug.
Ich hatte auf einen Schluck verzichtet und blieb beim Wasser. Cameron’s Geschichte kannte ich, und ich hatte auch sein stabiles Schlauchboot am Ufer liegen sehen. Da war mir eine Idee gekommen, die ich sofort in eine Frage umsetzte.
»Was halten Sie davon, wenn wir auf den See hinausfahren? Sie haben ja ein Boot.«
»Oh, das kommt überraschend. Eigentlich hatte ich etwas anderes vorgehabt.«
»Und was?«
»Ich wollte Clints Frau Bescheid sagen. Da hätte ich in Glasgow anrufen müssen. Dort ist sie zu Besuch bei ihren Kindern. Das hatte mir Clint noch erzählt.«
»Warten Sie bis morgen. Dann verständige ich auch die Kollegen in Inverness.«
Aus immer noch leicht geröteten Augen schaute mich Earl Cameron an. »Glauben Sie denn wirklich daran, dass wir das verdammte Geisterschiff finden, John? Obwohl es sich in den vergangenen Nächten nicht gezeigt hat? Ich habe da meine Zweifel.«
»Versuchen müssen wir alles. Wenn ich meinem Gefühl trauen kann, und das kann ich in der Regel, dann wird sich etwas tun. Ich gehe davon aus, dass sich im Hintergrund einiges zusammenbraut. Wir werden das Schiff zu Gesicht bekommen.«
»Den Fliegenden Holländer?«
»So ähnlich.«
»Dann können wir jetzt zugeben, dass die alten Seemannsgeschichten den Tatsachen entsprechen?«
Ich hob die Schultern. »Manchmal schon.«
»Daran kann ich nicht glauben, John.«
»Und was ist mit Nessie?«
Er überlegte einen Moment. »Ja, da haben Sie Recht. Das ist ein Problem mit Nessie. Aber auch ein Phänomen, denke ich, das immer wieder Menschen anzieht, weil es letztendlich harmlos ist. Ganz im Gegensatz zu dem Geisterschiff und dessen Besatzung. Wie dem auch sei, ich bekomme es allmählich mit der Angst zu tun, und dieses Gefühl
Weitere Kostenlose Bücher