Avalons Geisterschiff
Jedenfalls wies der Ausdruck in seinen erstarrten Zügen darauf hin.
Warum war er umgebracht worden und von wem?
Eigentlich war es müßig, sich eine derartige Frage zu stellen. Da man ihn nicht mit einer Schusswaffe getötet hatte, konnte ich davon ausgehen, dass es jemand von der Besatzung des Geisterschiffes gewesen war. Dieser Mann musste ein Störfaktor gewesen sein.
Da ich den Körper von seiner natürlichen Decke befreit hatte, lag der Tote jetzt in der Sonne. Das würde ihm nicht gut tun. Ich würde auch keine Mordkommission kommen lassen und auf eine Spurensicherung verzichten, denn das hier war kein normaler Mordfall.
Aber wohin mit ihm?
Hier funktionierte zum Glück auch eine Handyverbindung. Zwar nicht überall am Loch Ness, aber Maxine Wells wollte ich schon Bescheid geben. Das Handy hatte ich noch nicht aus der Tasche gezogen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte.
Befremdlich war es nicht. Es klang nach Tritten.
Schnell drehte ich mich um und erblickte Earl Cameron, der jetzt stehen blieb. Er hatte bereits gesehen, was dort lag, und sein Gesicht verkantete. Er presste die Lippen zusammen, und ich hörte seinen scharfen Atem bis zu mir.
»Ich habe Sie beobachtet«, sagte er leise.
»Dann wissen Sie auch, dass ich nicht der Mörder bin.«
»Ja, das dachte ich mir«, gab er nach einigem Zögern zu.
»Kennen Sie den Mann?«
Cameron räusperte sich, bevor er näher herantrat. Auch er sah aus, als würde er sich fürchten. In seinem Gesicht zuckte es, und ich hatte das Gefühl, dass ihm der Tote nicht fremd war.
»Ja, ich kenne ihn.«
»Und?«
Er ging noch näher heran. Dabei runzelte er die Stirn, und aus seiner Kehle drang ein Räuspern. »Er heißt Clint McLintick und stammt aus Foyers. Früher hat er als Gehilfe des Försters gearbeitet, aber seit einigen Jahren ist er pensioniert. Seinen Job hat er nie aufgegeben. Er ist dann freiwillig durch die Gegend gestreift. Er war praktisch mit dem See verheiratet. Wir haben uns gut verstanden, denn er hat mich oft besucht.«
»Glaubte er an das Monster?«
Cameron wischte über seine Augen. »Ich weiß es nicht. Jeder, der hier wohnt, glaubt doch irgendwie daran. Aber McLintick kam es dabei mehr auf die Natur an, die er pflegen wollte. Er war auch nach seiner Pensionierung immer auf der Suche nach irgendwelchen Umweltsündern, und er hat auch tatsächlich welche aufgespürt. Auf der anderen Seeseite mehr als hier. Aber jetzt ist er ermordet worden...« Die Stimme des Mannes versagte. Er wischte sich wieder über die Augen, die feucht glänzten. Dann schob er sich an mir vorbei und ging neben dem Toten in die Knie.
Etwa eine Minute nahm er Abschied. Ich hörte sein leises Weinen, und auch mir ging es nicht gut. Hier hatte der Tod brutal die Idylle zerschnitten.
Nachdem Cameron wieder aufgestanden war, schnäuzte er sich. Danach schaute er mich an. Der leichte Wind trieb seine leise gestellte Frage an meine Ohren.
»Darf ich mal fragen, wer Sie wirklich sind, Mr. Sinclair? Maxine erzählte mir nur etwas von einem Freund, dem man allerdings vertrauen könnte.«
»Den Namen kennen Sie. Und das ist mein Beruf.«
Ich holte den Ausweis hervor, um seine Bedenken zu zerstreuen.
Cameron’s Hand zitterte leicht, als er das Dokument entgegennahm und es genau prüfte.
Er war überrascht, das las ich an seinem Gesicht ab. »Sie sind kein Arzt, sondern Polizist?«
»Dort steht es.«
»Und dann noch von Scotland Yard?«
»Auch das.«
»Dann sind Sie ja genau richtig, was diesen verdammten Mord angeht. Aber das Geisterschiff werden Sie wohl nicht stoppen können. Davon gehe ich zumindest aus.«
Ich wiegte den Kopf. »Wir werden sehen, Mr. Cameron.«
»Sagen Sie Earl.«
»Okay, ich heiße John.« Den Ausweis steckte ich wieder weg und deutete danach auf den Toten. »Es ist klar, dass wir ihn nicht hier liegen lassen können. Wir müssen einen Platz finden, an dem er vor den Strahlen der Sonne geschützt ist.«
»Und wie lange soll das geschehen?«
»Bis morgen erst mal. Der Mann ist noch nicht lange tot. Einige Stunden, nehme ich an. Zwar ist das Schiff in den letzten Nächten nicht gesehen worden, aber ich gehe mal davon aus, dass sich zumindest seine Besatzung hier herumgetrieben hat. Sonst wäre diese fürchterliche Tat nicht geschehen. Also werde ich in der folgenden Nacht unterwegs sein müssen.«
»Nicht nur Sie«, erklärte Cameron. »Ich werde auch dabei sein, denn ich kenne die Gegend hier.«
»Gut, ich habe nichts dagegen.«
»Und
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