Avalons Geisterschiff
Hälfte.
Woher der Riemen der Peitsche pfiff, das sah er nicht. Aber er spürte, wie sich die Schnur blitzartig um seinen Körper schlang, dabei sogar hoch bis zu seinem Hals wanderte und ihm fast die Luft abschnürte.
Ein scharfer Ruck ließ ihn wieder auf dem Deck landen. Er wollte sich befreien. Die Lampe hatte er längst verloren, denn er brauchte beide Hände, aber der Riemen umschlang ihn so hart, dass er es nicht schaffte, ihn zu lösen.
Man zerrte ihn weiter.
Als Beute wurde er über das Deck geschleift. Weg von dem einzigen Segel, sodass er aus dessen Schatten gelangte. Näher am Heck als am Bug ließen sie ihn liegen, und sie drehten mit geschickten Bewegungen die Umschnürung ab.
Aufstehen, wegrennen, über Bord springen!
Das hätte er gern getan. Nur ließ das die andere Seite nicht zu. Als er sich zum ersten Mal bewegte, es war mehr ein Zucken, da wurde sofort ein Fuß auf seine Brust gedrückt und presste ihn gegen den harten Untergrund. Cameron musste liegen bleiben. Seine Augen hielt er offen. Er wollte sehen, was da mit ihm passierte, auch wenn es seine Angst noch steigerte.
Sie hatten um ihn herum einen Kreis gebildet und schauten auf ihn herab.
Es war ein schreckliches Bild. Nicht nur, dass er von mehreren Waffen bedroht wurde, er fand auch die Gesichter schlimm, die ihn anglotzten. Widerliche Fratzen, die nur entfernt an Menschengesichter erinnerten.
Sie schwankten leicht. Es schien ihm fast, als würden sich die Gesichter auflösen. Er war auch nicht in der Lage, sie zu zählen, das normale Denken war bei ihm ausgeschaltet, die Angst um sein Leben beherrschte alles. Beinahe hätte er sich gewünscht, von der Axt getroffen worden zu sein, dann wäre alles vorbei gewesen. So aber musste er bleiben, denn eine Chance zur Flucht würde man ihm nicht geben.
Wann stechen sie zu? Wer stach zu?
Er wartete darauf. Säbel und Degen wiesen auf ihn. Auch wenn die Klingen einen Rostfilm zeigten, sie würden ihn auf jeden Fall töten.
Dann hörte er Schritte.
Zuerst noch entfernt. Aber sehr schnell kamen sie näher. Da ihm die Gestalten die Sicht nahmen, konnte er nicht sehen, wer sich da näherte. Das änderte sich Sekunden später, als eine Lücke geschaffen wurde. Er hob den Kopf ein wenig an und sah jetzt die Gestalt, die sich ihm näherte.
Der Untote trug eine zerschlissene Jacke. Nur noch Fetzen, aber er sah aus wie jemand, der etwas zu sagen hatte. Mit dem Säbel gab er ein Zeichen, das die Leute sofort kapierten.
Vier von ihnen bückten sich, und wenig später spürte der Nessie-Forscher zum ersten Mal die Klauenhände an seinem Körper. Sie alle schienen ihr Fleisch verloren zu haben, für Earl waren es knöcherne Krallen, die ihn in die Höhe rissen.
Er wollte um sich schlagen, aber seine Arme steckten wie in einer Klammer. Eisenhart waren die Griffe. Eine Chance bekam er nicht.
Er blieb auf den Beinen. Vor ihm stand der Kapitän mit einem Gesicht, das den Namen nicht mehr verdiente.
Es war klar, dass die Mannschaft ihm das Töten überlassen wollte. Es kam nur darauf an, wie er es anstellte. Einfach zustechen wäre am leichtesten gewesen, aber Cameron konnte sich vorstellen, dass auf einem solchen Segler früher auch geköpft worden war.
Sie packten wieder zu. Diesmal pressten sie seine Arme fest gegen den Körper. Diese Griffe konnten schon mit starken Fesseln verglichen werden. Bis hin zu den Schultern wurden ihm die Arme gegen den Körper gedrückt. Der Kopf und der Hals lagen frei, was bestimmt Absicht war, denn jetzt trat der Kapitän einen Schritt nach hinten und hob seinen Säbel an. Er ging in dieser Haltung etwas zur Seite. Dabei visierte er den Hals des Schotten an, den er treffen wollte.
Earl Cameron sah das alles, aber sein Geist fasste es nicht. Er kam sich vor, als würde auf dem Schiff ein Film gedreht, wobei er leider so etwas wie ein Hauptdarsteller war.
Sekunden blieben ihm noch. Dann würde der Tod alles auslöschen. Er fand den letzten Gedanken komisch, doch der ließ sich nicht vertreiben.
Jetzt werde ich nie erfahren, ob es Nessie gibt oder nicht!
***
Für mich stand fest, dass sich das Hauptgeschehen auf dem Deck abspielen würde. Da musste ich hin, nur gab es vor mir zwei Gestalten, die das bestimmt verhindern wollten.
Beretta oder Kreuz?
Am besten beides. Gegen zwei Gestalten auf engem Raum zu kämpfen war kein Kinderspiel. Ich musste es schaffen, zumindest einen meiner Gegner so schnell wie möglich zu erledigen.
Dazu war die Kugel gut.
Ich nahm
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