AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
ihre Fassung zu bewahren. Sie führte Margeau in ihr Schlafgemach und ließ sich auf ihrem Bett nieder.
»Gewiss, erzähle. Du warst lange weg.«
»Oh ja, er hat kein Ende gefunden. ‚Liebste, mein Herz, bleib bei mir, ich habe immer an dich geglaubt.‘ Es war zum Totlachen, Isa. Manchmal konnte ich mich kaum zurückhalten. Und immer wollte er mich begrabschen«, sie schüttelte sich, »und unhöflich war er, hat gejammert, wie dünn und schwach ich geworden wäre. Ich musste ihm vorflunkern, dass der andere mich misshandelt - da ist ihm aber die Brust geschwollen: Gleich sollte ich bei ihm bleiben, er würde mich gewiss nie schlagen. Schön langweilig würde das! Oh, Isa, du hättest hören sollen, wie ich ihn an der Nase herumgeführt habe, er ist sogar vor mir auf dem Boden gerutscht.«
Margeau ließ sich auf die Knie nieder und presste das schwarze Bündel mit schmachtendem Augenaufschlag an sich.
»‚Vergib mir, Liebste‘«, äffte sie Donovans reuevolle Worte nach und erhob sich wieder. »Ich war ein wenig heftig geworden, als ich meinen stachelköpfigen Liebhaber schmähte und er hatte Verdacht geschöpft. Da musste ich schnell die gekränkte Unschuld spielen und ihm den Schleier wieder vor die Füße werfen.«
»Margeau, wie konntest du!«, die Fürstin, die schrill über die Posse gekichert hatte, starrte die Freundin entsetzt an. »Wenn er ihn nun wieder an sich genommen hätte?«
»Ach was, da kennst du den schlecht«, erwiderte Margeau unbekümmert, »nachgekrochen ist er mir: ‚Ich bitte dich, ich flehe dich an, Ava ...‘ Oh, wie musste ich mir das Lachen verbeißen. Wir haben ihn ordentlich drangekriegt, Liebste, und ich bedaure es zutiefst, dass ich nicht dabei sein kann, wenn er den letzten Brief findet - zu gerne würde ich sein Gesicht sehen.«
Die beiden Frauen sahen sich an und plötzlich löste sich die Anspannung der letzten Stunden. Sie ließen sich auf das Bett fallen und wälzten sich kreischend vor Lachen in den weichen Kissen. Während sie sich die Lachtränen aus den Augen wischte, reichte Margeau ihrer Kusine das schwarze Bündel hinüber.
»Da, ich hab dich lange genug auf die Folter gespannt, nun lass uns sehen, ob der Fetzen wirklich so wundervoll ist, wie du sagst.«
Isabeau achtete nicht auf die respektlosen Worte. Ehrfurchtsvoll nahm sie das Bündel entgegen und wog es auf der Hand.
»Es ist so federleicht, ich kann kaum glauben, dass ich mich von Kopf bis Fuß darin einhüllen kann.«
Sie legte es auf das Bett und kniete davor nieder. Andächtig schlug sie die erste Lage des schwarzen Stoffes zurück und stieß einen leisen Ruf der Verwunderung aus. Margeau, die die Versunkenheit ihrer Kusine beinahe gerührt betrachtet hatte, kam um das Bett herum.
»Was ist? Was hast du da?«
»Ein Zettel, schau, ein Gedicht.«
»Nein! Er hat tatsächlich ein Gedicht für mich gemacht? Gib her.«
Margeau riss der Fürstin den Zettel aus der Hand und überflog ihn rasch. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und begann schrill zu lachen.
»Dieser Gimpel, hör dir das an.«
Sie stellte sich in Positur und begann zu deklamieren:
»Wie Mond und Sterne sich verdunkeln,
Wenn eine Wolke dicht und schwarz darüber flieht, - blablabla, wie geht’s weiter? Ah, ja ...
Wie starr wird Wasser hell lebend’ ges Funkeln,
Wennwinterskalterhauchesüberzieht, - hui, wie neu und ungewöhnlich, pass auf, es gibt noch mehr traurige Vergleiche:
Wie zarter bunter Flor ermattet sinkt, - ach ja, jetzt ist das Feuer an der Reihe, oh, ich hasse diese dämlichen Gedichte, in denen alles brav abgehandelt wird,
Wenn Sommers Glut ihn niederstreckt, - und jetzt noch die kleinen Piepmätze ...
Wie kleiner Vögel Stimme scheu verklingt,
Wenneineshabichtsschattensieerschreckt ... - so, und jetzt, Überraschung, ist er an der Reihe ...«
Wie ein Bänkelsänger stellte Margeau einen Fuß vor, warf sich in die Brust und wollte mit weitausholender Gebärde fortfahren, als Isabeau ungeduldig ausrief: »Ach Margeau, lass den Unsinn, ich will nicht wissen, wie er sich fühlt, der dumme Kerl. Ich brenne darauf, den Schleier anzuschauen. Du kannst es nachher zu Ende vortragen ...«
»Nicht doch, unterbrecht sie nicht, edle Dame! Ich möchte zu gerne wissen, wie dieses prächtige Machwerk endet.«
Der Schrei blieb ihnen in der Kehle stecken, Margeau verlor das Gleichgewicht und klammerte sich haltsuchend an den Bettpfosten, während der Zettel unbeachtet zu Boden flatterte. Die Fürstin rang nach Atem, sie
Weitere Kostenlose Bücher