AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Waschtischs.
»Da du mir jedoch die Mühe erspart hast, mir den Mondenschleier selbst von Donovan zu holen, und mich auf so reizende Weise mit diesem Gedicht ergötzt hast, will ich nachsichtig sein. Rückt ein wenig beiseite, edle Fürstin und gebt mir den Schleier, den Ihr so umsichtig verdeckt habt. Ja, ja, ziert Euch nicht. Glaubt mir, er ist bei mir in guten Händen. So, und nun, werte Damen«, das schwarze Bündel unter den Arm geklemmt, wies er einladend ins vordere Zimmer, »wollen wir nach vorne gehen - ich will nicht länger das Schlafzimmer unserer hohen Fürstin besudeln - und Ihr erzählt mir, wie Ihr Donovan zum Narren gehalten habt, damit auch ich etwas zu Lachen habe.«
Sie wussten, dass er sie in seiner Gewalt hatte und sie jederzeit in zwei Statuen verwandeln konnte, so unbeweglich, wie die Bronzefiguren im Salon der Fürstin. So stolperten sie hinter ihm her ins Vorzimmer, wo er sich mit überschlagenen Beinen im Stuhl des Patriarchen niederließ.
Und während sie wie zwei gescholtene Kinder vor ihm standen und mit erstickter Stimme die perfide Geschichte ihres Betrugs erzählen mussten, ruhten seine Augen auf ihnen, boshaft und wachsam.
Donovan rannte durch den stillen Palast wie er noch niemals gerannt war. Andere Kinder hätten es vielleicht geliebt, über die glatten Marmorböden der langen, geraden Gänge zu schlittern und gewiss wäre es ihm nicht verwehrt worden, aber Donovan hatte sich schon immer ernst und feierlich bewegt. Wilde Kinderspiele waren nie seine Sache gewesen. Ja, er hatte die kleinen Gesellschaften, die seine Mutter und später seine Kinderfrauen auf Geheiß des Patriarchen mit den Kindern der anderen vornehmen Familien veranstaltet hatten, gefürchtet und schließlich sogar gehasst. Bei allen Spielen war er stets der letzte gewesen, es war schrecklich zu sehen, wie sich die Erwachsenen gewunden hatten, weil sie nicht ihm, dem Thronfolger, die begehrten Preise überreichen konnten. Von den üppigen Speisen, den süßen Kuchen und dem verdünnten Wein war ihm übel geworden, in den folgenden Tagen hatte er das Bett hüten und bittere Arznei schlucken müssen, während aus dem Vorzimmer die ebenso bitteren Klagen des Patriarchen über seinen Schwächling von Sohn herüberklangen.
Aber nun holte er alles nach, nun rannte und schlitterte er, dass Tartuffe ihm kaum folgen konnte. Doch obwohl Donovans Atem schwer ging und das Herz in seiner Brust hämmerte, trieb ihn grimmige Entschlossenheit vorwärts. Ein berauschendes Gefühl der Tollkühnheit, des Wagemuts hatte ihn gepackt. Er handelte wie die Helden, von denen die alten Lieder sangen, er eilte der geliebten Frau zu Hilfe, befreite sie aus Todesnot ...
Er würde sich jeder Gefahr stellen, jeder, mochte es Jermyn sein, die Wachen, ja selbst der Patriarch. Er würde ihr beweisen, dass sie auf ihn bauen konnte!
Und so rannte er, getrieben von Furcht und Liebe, ohne auf das Stechen in seiner Brust und die Schmerzen in den Beinen zu achten. An den Wänden erschienen schon die lieblichen Schäferszenen, mit denen die Fürstin die Gänge ihrer Gemächer hatte schmücken lassen. Welkende Blumensträuße in großen Urnen verströmten in der dunklen Wärme einen betäubenden Duft, in den sich der Gestank verrottenden Wassers mischte.
Donovan verstand zwar nicht, warum Ava nicht hinaus geflüchtet war, sondern sich in den verwirrenden Gängen des Palastes immer weiter den Gemächern der Fürstin näherte, wie ihm Tartuffe keuchend bestätigte. Es musste Zufall sein, ihr grausamer Verfolger jagte sie und sie rannte dorthin, wo sich ein Ausweg bot. Vielleicht hatte sie vor lauter Verzweiflung die Richtung verloren und irrte erschöpft im südlichen Flügel umher ...
Am Ende des Ganges tauchten die hohen weißgoldenen Türen auf, die zu den inneren Gemächern der Fürstin führten und als sie an dem letzten Quergang vorübergekommen waren, drehte Donovan sich um. Tartuffe, der in einigem Abstand hinter ihm herhechelte, deutete auf die Tür und japste:
»Da drin ... sind alle da ... drin!«
Alle? Ava, Jermyn, die Fürstin? Wer noch? Was erwartete ihn hinter diesen Türen? Donovans Hand krampfte sich um das Heft seines Dolches, er erhöhte seine Geschwindigkeit, als wolle er der Furcht entkommen, die ihm im Nacken saß.
Weshalb waren die Gemächer seiner Stiefmutter unbewacht? Ohne einen Moment inne zu halten, warf er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Türen.
Sie sprangen mit lautem Krachen auf, Donovan riss den Dolch aus
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