AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
sank auf das Bett, aber sie hatte die Geistesgegenwart, das schwarze Bündel mit ihren weiten Röcken zu bedecken.
Wie lange der Mann schon am Türrahmen gelehnt hatte, konnten die Frauen nicht sagen. Sie hatten weder Schritte gehört noch das leise Knacken der Klinke. Es war, als sei der Mann aus dem Nichts aufgetaucht. Er rührte sich nicht und hatte die Kapuze tief in die Stirn gezogen, doch sonst wirkte er nicht besonders bedrohlich. Margeau fasste sich als erste.
»Was fällt Ihm ein, Kerl, in die Gemächer der Fürstin vorzudringen?«, herrschte sie ihn an. »Gleich werden wir die Wachen rufen!«
»Das werdet Ihr gewiss nicht, edles Fräulein«, erwiderte der Mann gelassen, »sie könnten etwas hier finden, was Euch gar nicht recht wäre ... Bergprinzessin.«
Das letzte Wort klang wie ein Peitschenknall und Margeau zuckte zusammen. Die Fürstin wurde kreideweiß
»W...wer seid Ihr? Was w...wollt Ihr von uns?«
Der Mann verneigte sich gewandt.
»Nichts weiter, edle Dame, beunruhigt Euch nicht. Nur etwas, was mir eher zusteht als Euch, ach ja, und das Gedicht möchte ich zu Ende hören. Lest es vor, mein Fräulein.«
Margeau, in der ein böser Verdacht aufkeimte, schüttelte stumm den Kopf. Der Mann löste sich vom Türrahmen und machte einen Schritt ins Zimmer. Gemächlich streifte er die Kapuze zurück und Margeau sah ihren Verdacht bestätigt. Hasserfüllt schüttelte sie abermals den Kopf und wich langsam zurück. Der Rothaarige hatte sie geschmäht und wollte nun ihre Pläne zunichte machen. Aber er schwatzte gerne, wenn sie sich nicht irrte, vielleicht gelang es doch ... nur wenige Schritte hinter ihr, an der Wand neben dem Kopfende des Bettes hing die Klingelschnur. Wenn sie die erreichte und die Wachen herbeirufen konnte ... man würde den Mondenschleier bei ihnen entdecken, aber sie würde behaupten, der Eindringling habe ihn geraubt und dann die Fürstin überfallen ...
Schritt für Schritt wich Margeau an die Wand zurück. Der schwarze Blick war auf Isabeau gerichtet, er dachte wohl, sie stecke hinter dem ganzen Schwindel. Isa starrte ihn an wie eine Maus die Katze, unfähig sich zu rühren. Auch sie musste ihn erkannt haben ...
»Bleib stehen.« Er hatte nicht einmal den Kopf gewandt. Der Befehl klang sanft, aber Margeau erstarrte, die Hand hinter ihrem Rücken am Klingelzug.
»Du gibst nicht so schnell auf, was?«, sagte der junge Mann in freundlichem Plauderton. »Du scheinst mir ein einfallsreiches kleines Luder zu sein, wahrscheinlich wirst du es hier am Hof weit bringen. Fürchtet Ihr sie nicht, edle Dame?«, seine Stimme wurde hart. »Lies!«
In ohnmächtigem Zorn spürte Margeau, wie ihre Glieder sich von selbst bewegten. Sie musste sich bücken und den Zettel von der Stiefelspitze ihres Peinigers aufheben. Ihr Rücken richtete sich auf, ihre Augen erfassten das Geschriebene und ihr Mund formte gegen ihren Willen Worte.
Verdunkelt, starr und matt
So leb auch ich dahin
Von Tränen, ach, ist meine Stimme satt
Weil fern von dir, geliebtes Mädchen, ich noch bin
Doch Licht und Leben winken wieder mir
Gesang und Schönheit kehr’n zurück mit dir
Margeau schwieg erschöpft und der junge Mann nickte nachdenklich. »Nett, wenn man sowas mag. Aber ich fürchte, er wird noch eine Weile ohne sein geliebtes Mädchen leben müssen, was meinst du, Schätzchen?«
Offener Hohn sprach aus seinen Worten, sein Gesicht verzerrte sich zu einer bösen Fratze. Er trat zu Margeau und sie musste es geschehen lassen, dass er mit raschen Griffen ihren Leib abtastete.
»Pfui, mager wie eine Ziege in den Brachfeldern, du solltest keine Beinlinge tragen, die stehen anderen Frauen besser«, murmelte er und eine heiße Woge des Zorn und der Scham stieg ihr in die Wangen. Paul, wo blieb Paul?
Er fand den Dolch, den sie zur Sicherheit unter das Wams gesteckt hatte, und zog ihn aus der Scheide. Das schmale Ding glänzte kalt und tödlich, als er ihre Nasenspitze sanft mit der Spitze berührte. Die Fürstin keuchte erschrocken auf. Margeau rührte sich nicht, aber kleine Schweißperlen erschienen unter den gefärbten Stirnlöckchen. Er sah es und es flackerte böse in den schwarzen Augen. Er packte die dünnen Haarsträhnen und säbelte sie ab, so roh, dass Margeau vor Schmerz die Tränen in die Augen traten.
»Für deine verdammte Frechheit sollte ich dir die Nase abschneiden, edles Fräulein«, knurrte er, aber dann lächelte er und warf den kleinen Dolch achtlos auf die Marmorplatte des
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