AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Fortunagra gegangen und hatte seine Dienste angeboten. Der blinde Gedankenlenker hatte ihn ein wenig unterwiesen und Fortunagra hatte ihn für kleine, hinterhältige Aufträge recht nützlich gefunden. Tartuffe konnte einen Ahnungslosen lenken und, wenn er sich sehr anstrengte, die Geistsphäre eines Menschen finden.
Es fiel ihm schwer: Die innere Welt war für ihn kein unendlicher Raum von funkelnder Dunkelheit, durch den die menschlichen Seelenleiber in unendlichen Schattierungen schwebten, sondern mit dichtem, grauem Nebel gefüllt, den er kaum zu durchdringen vermochte. Aber er musste wissen, wohin der Schleier getragen wurde, und so tastete und suchte er, bis er auf das heftig pulsende Licht eines erregten Menschen stieß, das sich nicht weit von ihnen rasch durch den Nebel bewegte. Nur wenig dahinter fand er ein zweites Licht, ein bläuliches Aufblitzen nur, dünn und scharf, als liefe ein Funke über eine Stahlklinge. Ein starker Geist, entschlossen und zielstrebig. Er hatte sie gefunden, und keinen Moment zu früh. Mühsam kämpfte er gegen den Schwindel an, der ihn bei jeder größeren geistigen Anstrengung überfiel. Er spürte den kalten Schweiß auf seiner Stirn und fasste nach der Tischkante, um sich zu stützen. Als er die Augen öffnete, fand er Donovans Blick besorgt auf sich gerichtet.
»Gelingt es nicht? Ihr seid ganz grau ...«
Tartuffe atmete tief.
»Doch, doch, ich habe ihn, aber der Hund hat sich sehr gut verschlossen, kaum, dass ich ihn entdecken konnte. Er folgte einem anderen Licht in einigem Abstand und deshalb musste er einen kleinen Spalt in seinen Sperren offen lassen.«
»Wo, wo ... er folgte jemandem? Einer Frau? So, rede doch.«
Donovan schüttelte ihn in rasender Ungeduld.
»Gemach, junger Herr, das kann ich nicht sagen, aber er folgte dem Licht gewiss und sie bewegten sich im südlichen Viertel des Palastes.«
Tartuffes Stimme verklang, er würgte, aber Donovan murmelte:
»Im südlichen Viertel ... dort liegen die Gemächer der Fürstin. Warum läuft sie dorthin?«
Er packte den Gedankenseher am Handgelenk.
»Kommt mit, Ihr müsst mir den Weg weisen und mir gegen den anderen helfen, kommt, schnell, schnell ...«
Er rannte zur Tür hinaus, ohne sich um die erstaunten Blicke der Wachen zu kümmern. Da er sie jedoch nicht aufforderte, ihm zu folgen, blieben sie, wo sie waren, und sahen ihm nach, als er mit dem grauen Mann im Schlepptau am Ende des Ganges verschwand.
Bis er sicher sein konnte, dass Caedmon am Ende seiner Runde angelangt war, hatte Paul sich in solche Ungeduld hineingesteigert, dass sein Hemd schweißnass am Rücken klebte. Schließlich ertrug er es nicht länger und sprang die Treppe hinunter. Vorsichtig lugte er in den unteren Gang und als er ihn leer fand, rannte er, so leise er es in den schweren Stiefeln vermochte.
Sollte der übereifrige Leutnant doch noch einmal zurückkehren, so musste er eben den Arrest hinnehmen. Wenn er sich nur genügend zerknirscht zeigte, würden sie ihn schon nicht aus der Wache werfen, nicht bei einem Onkel, der Stadtkämmerer und ein Vertrauter des Patriarchen war.
Während er lief, überlegte er fieberhaft. Seine Geliebte und ihr Verfolger hatten mittlerweile einen großen Vorsprung, und er wusste nicht, welchen Weg Margeau eingeschlagen hatte. Wartete er jedoch vor Isabeaus Türen auf sie, war sie einem Angriff des Fremden schutzlos ausgeliefert ...
»Holla, wer da?«
Paul fluchte lautlos und drückte sich atemlos hinter einen Pfeiler. Die Gestalt eines Gardisten folgte dem Schatten, der ihm über die Wand vorauseilte. Der Mann musste seine Schritte gehört haben ...
»Wer da? Zeigt Euch!«
Berengars Herz klopfte zum Zerspringen. Warum hatte er sich wie ein Eindringling verborgen, statt dem anderen entgegenzugehen und irgendein Märchen über verdächtige Geräusche zu erzählen? Der schwerfällige Horatio de Cornelis war nicht für seine Schlauheit berühmt, aber wie sollte Paul ihm jetzt erklären, warum er sich versteckt hatte? De Cornelis nahm eine Fackel aus der Halterung und hielt sie in die halbrunden Nischen, die die Wände schmückten. Näher und näher kam er, und Paul packte die Hellebarde fester. Wenn es nicht anders ging, musste er den anderen außer Gefecht setzen, bevor er ihn erkannte. Aber dann war ihm das Glück noch einmal hold.
De Cornelis hatte ihn fast erreicht, als ihm aus einem muschelförmigen Becken laut fauchend eine fette, rote Katze ins Gesicht sprang. Der Wachmann schrie auf und schlug
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