AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Untergeschosses zeigten, sorgfältig an den Schnittkanten aneinanderschob. Wie alt musste man werden, um sich nicht mehr von den eigenen Wünschen blenden zu lassen?
Nachdem er in seinem jahrelangen Wirken unzählige Aufträge für reiche und vornehme Bürger ausgeführt hatte, deren Ansprüche nur von ihrer Unwissenheit überboten worden waren, hatte er wahrhaftig angenommen, der Patriarch handle aus lauterem Sinn, im Dienste der hohen Kunst und ohne eigene Ziele zu verfolgen. Er hätte es besser wissen müssen!
Ducas Violetes entstammte einem alten, angesehenen Geschlecht von Baumeistern, aber in seiner Jugend hatte er seinem Vater wenig Freude gemacht. Er war lieber mit Stift und Papier zwischen den verfallenen Bauten des Ruinenfeldes herumgekrochen, um die einstigen Prachtbauten zu zeichnen, als sich in den Berechnungen zu üben, die ein guter Baumeister kennen musste, um sichere Bauwerke errichten zu können. Und es hatte große Nachfrage nach Baumeistern geherrscht, damals, als Dea unter den Patriarchen allmählich wieder zu Reichtum kam.
Aber weder Versprechungen noch Schläge hatten ihn von seinen nutzlosen Spielereien abhalten können, und da er der einzige Nachfolger war und sich durchaus anstellig und willig zeigte, wenn man ihn denn ans Reißbrett bekam, hatte der Vater ihn schließlich gewähren lassen.
Später hatte der junge Mann eingesehen, dass es nötig war, all die langweiligen Dinge zu lernen, ebenso wie die harte Arbeit auf den Baustellen. Denn Ducas Violetes träumte: Er wollte die gewaltigen Bauten der Alten neu erstehen lassen, er wollte, dass ihnen Gerechtigkeit widerfuhr, dass man sie mit Scheu und Achtung verehrte und nicht als Steinbruch missbrauchte. Wie auf den großen Plätzen der Stadt sollten Menschen aus allen Teilen der Welt bewundernd zwischen den prächtigen Gebäuden einherwandern, nicht alte Weiber mit ihren Ziegen.
Das war sein Traum, aber zunächst hatte er sich der harten Wirklichkeit beugen müssen. Als junger Mann schon hatte er seinen Vater beerbt, und es waren Bürgerhäuser und Lagerhallen, Amtsgebäude und Lustschlösschen gewesen, die er gebaut hatte.
Er hatte sich dem Gott des Geldes gebeugt und getan, was man vom ihm verlangte. Aber er hatte nie aufgehört, seine Zeichnungen zu machen, und bald wusste er mehr von der Bauweise der Alten, als jeder andere in der Stadt.
Wenn eine vornehme Familie ihren alten Palast ausbessern oder verschönern wollte und die anderen Baumeister ratlos vor den vielfach verschachtelten Gebäuden standen, war er zur Stelle und erfüllte, wenn auch manchmal widerwillig, die Wünsche der Leute. Dabei studierte er an den Fundamenten, die sich tief in der Erde immer noch fanden, die Bauweise und Werkstoffe der Alten und erweiterte so seine Kenntnisse.
Oft war er mit einem vertrauten Gehilfen im Alten Zirkus, maß aus und entnahm Proben. Als der Patriarch einige Umbauten am Palast ausführen ließ, arbeitete Violetes ohne Entgelt für die Erlaubnis, die Fundamente zu studieren, die angeblich aus den Gründungsjahren Deas stammten. Alles, was er entdeckte, zeichnete er mit strenger Genauigkeit.
Allmählich wurden die Sammler auf ihn aufmerksam, die wirklichen Sammler, nicht solche wie der Patriarch, die Juwelen und Zierrat für die Verschönerung ihrer Gemächer und zur Darstellung ihres Reichtums zusammenrafften. Nein, diejenigen, die über eine alte, rostige Münze in Verzückung geraten konnten, über eine gesprungene Tonschale, ein abblätterndes Wandgemälde. Alte Männer, die sorgfältig jede Glasscherbe aus der Alten Zeit zusammentrugen und sie in unendlicher Geduld wieder zu einem Gefäß zusammensetzten. Sie begannen ihn zu schätzen, weil er ihnen sagen konnte, wie die Räume ausgesehen hatten, in denen ihrer Kostbarkeiten gestanden hatten und aus welcher Zeit ein Ornament stammte.
Er wurde gut Freund mit einem schäbigen, alten Kunsthändler aus den Südreichen, Vitalonga, einem Mann, den sein Vater nicht einmal angesehen hätte. Violetes hatte ihn für einen gewöhnlichen Hehler gehalten, bis ein Sammler aus wahrhaft alter Familie voller Hochachtung von Vitalonga gesprochen und darauf bestanden hatte, dass die beiden Männer sich kennenlernten. Violetes hatte es nicht bereut, Vitalonga besaß viele alte Zeichnungen und Pläne, die er Violetes großzügig kopieren ließ. Und für einen Fremden wusste Vitalonga so viel über die Vergangenheit Deas, dass Violetes sich oft seiner Unwissenheit schämte. Die Unterhaltung mit dem
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