AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
nie.
Gerührt betrachtete Wag seinen unberechenbaren Herrn. Jermyn war mit seiner Überraschung im rechten Moment herausgerückt. Denn wenn Wag auch innerlich jubelte, dass die Bedrohung durch Kamantes Liebhaber verschwunden war, so dauerte ihn doch ihr offenkundiger Jammer und er freute sich über ihre Begeisterung. Am liebsten wäre er Jermyn um den Hals gefallen, aber das wagte er nicht.
»Schon gut, schon gut. Bedankt euch beim Bullen oder,« Jermyn lachte spöttisch, »beim alten Cosmo, in Wirklichkeit ist er der edle Spender.«
Kamante drehte das Täfelchen hin und her und fuhr mit dem Finger über den unebenen Abdruck des großen Siegels.
»C-o-s-m-o P-o-l-i-t-a-n-u-s«, buchstabierte sie langsam. Sie konnte einigermaßen lesen und schreiben, Ninian hatte es ihr beigebracht. Ihre Augen leuchteten.
»Danke, Patron«, sie steckte die Tafel in ihre weite Bluse und blickte auf die kläglichen Reste des Festmahls auf dem Tisch.
»Seid fertig mit Essen? Dann macht Platz, komm Wag, aufräumen!«
So unsanft an seine täglichen Pflichten erinnert, verstaute Wag sorgfältig sein kostbares Täfelchen und machte sich seufzend an die Arbeit, während Jermyn und Ninian gehorsam das Feld räumten und sich in das obere Stockwerk verzogen.
Im Übungsraum reckte Jermyn sich, dass seine Knochen knackten.
»Uff, das Zeug war schwer! Die Plackerei macht einen steif und schlapp wie ein altes Weib.«
Ninian lachte ungläubig.
»Hast du tatsächlich selbst Hand angelegt, Patron?«
Er warf ihr einen mürrischen Blick zu.
»Ja, denk mal, Patrona. War nicht einfach, das Holz zum Zirkus zu schaffen, wenn wir rechtzeitig fertig werden wollen, müssen wir uns sputen. Und mir liegt was daran, auch wenn du es nicht glauben willst.«
Ninian trat zu ihm und schlang die Arme um seinen Hals.
»Sei nicht böse, Liebster, ich glaube es schon.«
Sie küsste ihn und rasch versöhnt erwiderte er ihre Liebkosung.
Seit Jermyn mit dem Umzug der Scytenschule beschäftigt war, gingen sie nicht selten getrennte Wege. Ninian war oft bei Vitalonga und begleitete ihn manchmal in den Zirkus, aber das Bauwerk war so gewaltig, dass sie sich trotzdem nicht zu Gesicht bekamen. Aber es war schön, abends im Bett zu liegen und zu erzählen, was sie am Tag erlebt hatten.
Auch jetzt rekelte sich Ninian zufrieden in seinen Armen.
»Lass uns schlafen gehen, ich bin müde. Vitalonga hat mir gelehrte Vorträge über die Stadtgeschichte gehalten und im Stehen ist es ungemütlich. He, was ist das?«
Im Dunkeln war sie auf etwas getreten und wäre gefallen, wenn Jermyn sie nicht festgehalten hätte. Sie bückte sich und spürte das glatte Wachs der dicken Kerze zwischen ihren Fingern.
»Wieso liegt die hier? Oh, und auf dem Boden sind lauter Wachstropfen. Was hast du getrieben, Jermyn?«
Er lachte leise und sie spürte seinen Atem an ihrer Wange.
»Nichts weiter. Ich hab nur Patriarch gespielt«, er hob die Kerze auf.
»Was meinst du?«
»Warte, ich zeig es dir.«
Als die Kerzen wieder brannten, schob er die Täfelung vor dem Kamin beiseite und kroch in den geheimen Raum. Mit einem runden Gegenstand kam er zurück.
»Hier«, er wischte sich die Spinnweben aus dem Gesicht, »das Siegel des Patriarchen.«
Sie nahm es und hielt es ins Licht. Wachs klebte in den Einkerbungen.
»Es sah nicht besonders echt aus«, meinte Jermyn entschuldigend, »ich hatte es eilig und ein Teil von dem Wachs ist drangeblieben, aber es war deutlich genug, der Hafenmeister hat es nicht in Frage gestellt.«
»Politanus Deam regna,« las sie halblaut, »wie auf den Zirkustafeln. Kannst du mir sagen, womit der Patriarch jetzt siegelt, wo wir doch sein Siegel, hm, mitgenommen haben? Oder hat er mehrere?«
»Mehrere Siegel mit dem gleichen Abdruck?« Jermyn wirkte geradezu entsetzt. »Das ist streng verboten. Es gibt immer nur ein Siegel, das im Siegelbuch hinterlegt und genehmigt ist. Es gibt ein Riesengedöns, wenn man sein Petschaft verliert oder wenn es geklaut, ach nein, mitgenommen wird«, neckte er sie. Er machte sich immer lustig über ihr Unbehagen, das, was sie taten, beim richtigen Namen zu nennen. Ninian schnitt ihm eine Grimasse.
»Was heißt ‚ein Riesengedöns‘? Muss man sich ein ganz neues, anderes Siegel machen lassen, oder was?«
»Nein, du kannst das gleiche Bild verwenden, die großen Familien wollen schließlich ihre altehrwürdigen Wappen behalten, aber du musst das neue Siegel bei einem vereidigten Siegelschneider bestellen. Der fertigt es an und
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