AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Zirkus verloren hatten.
»Aber«, erklärte Jermyn kauend, »wir wurden sie alle schnell wieder los, da wir ja im Namen unseres allergnädigsten Stadtherrn unterwegs waren.«
»Ha«, machte Wag wegwerfend, »hast ihnen wieder was vorgegaukelt, Patron, das kenn wir ja schon.«
Jermyn angelte eine Handvoll Schleifengebäck aus der Schale und sah Wag empört an.
»Was sagst du? Ich hätte jemandem etwas vorgegaukelt? Ich werde doch nicht mit dem Namen des Patriarchen Schindluder treiben! Nein, nein, das hatte alles seine Richtigkeit, mit Brief und Siegel!«
Er zwinkerte Ninian übermütig zu, die ratlos mit den Achseln zuckte, und warf die knusprigen Gebäckstreifen in die Luft, um sie mit dem Mund aufzufangen. Wenn es ihm gelang, kaute er mit geschlossenen Augen, seufzend vor Behagen. Als Wag aufstand und in die Küche schlurfte, um nach Kamante zu sehen, die sich bei dem Gelage nicht hatte blicken lassen, murmelte er:
»Wenn dieser Liebeskummer sie dazu bringt, so was Gutes zu backen, kann sie von mir aus noch öfter auf wankelmütige Seeleute reinfallen.«
Ninian, die dieser ungewöhnlich guten Laune misstraute, schüttelte den Kopf. »Du bist der gefühlloseste Kerl, den ich kenne.Wahrhaftig, wie kannst du der armen Kamante so was wünschen.«
Jermyn rutschte um den Tisch herum, bis er neben ihr saß und zog sie an sich.
»Ich bin nicht gefühllos, Süße, aber du hast recht, Kamante hat was besseres verdient, vor allem, weil sie mich an das Holz im Hafen erinnert hat. Fass mal da rein, ich hab grad keine Hand frei.«
Da die eine unter ihrem Hemd steckte und er in der anderen immer noch das fettige Gebäck hielt, deutete er mit dem Kinn auf seine Brust und Ninian griff kichernd in sein Wams. Sie spürte seine glatte Haut unter ihrer tastenden Hand, die warmen, vertrauten Winkel seine Körpers, und empfand ein tiefes, dankbares Glück, dass sie ihren Liebsten nicht entbehren musste.
»Siehst du, ich bin überhaupt nicht gefühllos«, murmelte er in ihr Ohr, »aber du suchst an der falschen Stelle. Nachher kannst du da weitermachen ...«
Schuldbewusst zog sie ihre Hand zurück und griff in die Tasche an der Innenseite seines Wamses. Sie fand zwei schmale Tontafeln und zog sie heraus.
Dann pfiff sie leise.
Es waren nicht die einfachen Tafeln aus rot gebranntem Ton, die einem Plätze auf der hölzernen Galerie bescherten, sondern die hellgrün glasierten für die Sitze in den oberen Steinreihen, für die die Bürger gutes Geld bezahlen mussten.
»Wie bist du darangekommen? Hast du sie tatsächlich gezogen und bezahlt, wo du ja neuerdings so sehr darauf achtest, dass alles seine Richtigkeit hat ... autsch, nicht kneifen!«
»Der Bulle hat sie mir gegeben. Alle Leiter der Gladiatorenschulen bekommen eine bestimmte Anzahl der Sitze, um sie unter ihren - warte mal, wie hat der dicke Tifon das genannt? - ah ja, unter ihren professionellen Claqueuren - da staunst du, was? - zu verteilen und der Bulle, der so was nicht braucht, hat sie gleich an alle möglichen Leute weitergegeben. Babitt und seine Anhängsel haben welche abgestaubt und deinem Schneider hat er sie auch angeboten, aber unser eleganter Freund hat sich schon selbst Plätze besorgt, so weit unten, wie es ging. Damit ihm auch nur ja nichts entgeht von dem Anblick so vieler starker Männer, huch«, Jermyn spreizte sich geziert, »he, du hast doch selbst gesagt: nicht kneifen!«
Sie waren in eine lachende Balgerei verwickelt, als Wag und Kamante wieder herauskamen und hatten etwas Mühe, sich von einander zu befreien. Doch selbst Jermyn schien beim Anblick von Kamantes unglücklicher Miene das Gewissen zu schlagen, er stand auf und reichte ihr die beiden Tafeln.
Einen Moment lang starrte sie darauf, als könne sie nicht recht begreifen, was sie da in der Hand hielt, dann erhellte sich ihr trauriges Gesicht und Wag stieß einen Freudenschrei aus.
»Menschenskind, Eintrittskarten für den Zirkus!« Er nahm Kamante eine Tafel aus der Hand und musterte sie begeistert.
»Un noch dazu grüne. Kamante, Mädchen, wir wer’n vornehm wie die feinen Herrschaften sitzen. Jetz müssn wir uns nich mehr die Beine in den Bauch stehen. Danke Patron, das is wirklich nett von dir.«
Er hatte sich schon ein paar Mal mit Kamante in die Schlange vor der Wachstube des Viertels eingereiht, aber bisher war ihnen das Glück nicht hold gewesen. Insgeheim war er der Ansicht, dass ein Patron für die Sitzplätze seines Gefolges sorgen müsse, aber bei Jermyn wusste man
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